Neun Tage Koenigin
ich wieder unterrichten würde, wenn Connor mit der Schule fertig war.
Als Connor dann merkte, dass er schneller und ausdauernder rennen konnte als fast alle anderen, verbrachte ich einen Großteil meiner Nachmittage bei Cross-Country-Läufen und Leichtathletikwettkämpfen, wo ich meinen Sohn anfeuerte und seine Läufe aufnahm, damit Brad sie sich später ansehen konnte. Ich hatte immer noch vor, bald wieder als Lehrerin zu arbeiten.
Meine Mutter war es dann, die die Idee hatte, dass doch ich an ihrer Stelle die Geschäftsleitung des Antiquitätenladens übernehmen könne, als Theas Gesundheit sich rapide verschlechterte, kurz nachdem Connor ausgezogen war und sein Studium in Dartmouth begonnen hatte. Meine Mutter bekam nicht nur ganz schnell den Segen ihrer Tante für diesen Plan, sondern Tante Thea bestand sogar darauf, dass nur ich ihre Vertretung im Laden übernehmen dürfe, wenn meine Mutter es nicht täte.
An diesem Tag war meine Mutter mit den Ladenschlüsseln in der Hand zu uns gekommen und hatte ihre Freude darüber zum Ausdruck gebracht, dass sich gerade eben die perfekte Lösung für mein leeres Nest ergeben hätte und ich für Tante Thea eine Gebetserhörung sei.
„Aber eigentlich wollte ich doch wieder unterrichten“, hatte ich eingewandt und etwas ratlos auf die Ladenschlüssel in meiner Hand geschaut.
„Aber du liebst doch Antiquitäten, und außerdem vergiss nicht, dass du seit achtzehn Jahren kein Klassenzimmer mehr von innen gesehen hast – und Tante Thea braucht dich jetzt.“
„Ich habe doch keine Ahnung, wie man ein Geschäft führt, Mama.“
„Das wusste Thea auch nicht, als sie angefangen hat. Sie wird dir alles erklären. Und außerdem hast du ja auch noch Wilson“, hatte sie entgegnet, sich dann die Sonnenbrille von der Stirn auf die Nase geschoben und sich zum Gehen gewandt.
„Du gehst schon?“, hatte ich gefragt. Sie war keine zehn Minuten da gewesen.
„Ich bin gerade dabei, ein Haus in Westchester herzurichten, und muss jetzt los, sonst stecke ich gleich im Stau. Besprich es mit Brad. Es ist die perfekte Lösung.“
Und mit diesen Worten öffnete sie die Wohnungstür.
„Die perfekte Lösung wofür?“, hatte ich ihr noch nachgerufen.
Daraufhin hatte sie sich noch einmal umgedreht, allerdings ohne dabei stehen zu bleiben, und geantwortet: „Für dich, Jane. Für alle.“
Brad war an dem Abend müde und überarbeitet nach Hause gekommen. Bei einer Lasagne hatte ich ihm erzählt, dass meine Mutter und Thea mich gebeten hatten, die Leitung des Antiquitätenladens zu übernehmen.
„Möchtest du das denn überhaupt?“, hatte er gefragt.
„Thea verlangt offenbar ziemlich hartnäckig, dass ich es mache.“
„Aber die Frage ist doch, ob du es auch selbst möchtest. Ich dachte, du wolltest wieder unterrichten.“ Dann hatte er langsam und bedächtig weitergekaut.
„Hältst du es denn für eine gute Idee?“, hatte ich nachgefragt.
Er hatte noch eine weitere Gabel voll Nudeln in den Mund geschoben und geantwortet: „Doch, eigentlich schon, aber nur wenn es wirklich das ist, was du willst …“
Erst später war mir aufgefallen, dass ich ihn gar nicht gefragt hatte, ob ich seiner Meinung nach für diese Position geeignet sei.
Beim Abräumen hatte ich ihm dann mitgeteilt, dass es mir vielleicht ganz guttäte, mich einer solchen Herausforderung zu stellen. Connor sei ja nun aus dem Haus und dadurch hätte sich alles verändert. Er hatte mir zugestimmt.
Wahrscheinlich hatte ich bereits da unterbewusst gespürt, dass irgendetwas anders war.
Irgendetwas stimmte nicht.
An dem Tag, als Brad nach New Hampshire aufbrach, sah ich ihm beim Packen zu.
Er schlug mir vor, lieber einen Spaziergang zu machen, statt zuzuschauen, wie er seinen Kleiderschrank leer räumte, aber das wollte ich nicht.
Solange ich zuschaute, wie er T-Shirts, Socken und Unterwäsche auf Stapel legte, konnte ich mir vorstellen, dass er lediglich für eine längere Reise packte. Es machte ihn nervös, wie ich da auf der Bettkante auf meiner Seite des Bettes hockte und ab und zu ein Hemd so zurechtzupfte, dass es nicht knitterte. Ich merkte genau, dass er nicht wusste, wie er mit meiner stummen Hilfe umgehen sollte.
Als er fast fertig war, nahm er als Letztes noch seine Krawatten von einem Haken im Schrank, wo sie wie fröhliche Schlangen lose baumelten. Jede einzelne davon hatte ich irgendwann gekauft. Er sagte immer, ich sei einfach gut darin, schicke Krawatten auszusuchen.
Er faltete das lange
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