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Neun Tage Koenigin

Neun Tage Koenigin

Titel: Neun Tage Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Meissner
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er.
    Ich suchte nach Worten und sagte dann: „Ich … ich habe die Truhe der Lady gar nicht gepackt, Mylord.“
    Er sah mich schweigend an, und selbst im dämmrigen Licht der Kerzen an den Wänden des Treppenaufgangs war an seiner Miene deutlich abzulesen, dass er überlegte, ob ich wohl die Wahrheit sagte.
    „Du hast also diesen Brief nicht in die Truhe von Lady Jane gelegt?“ Er hielt mir den auseinandergefalteten Brief hin, auf dem ich nur die letzte Zeile und einen Namen erkennen konnte.
    Edward.
    „Nein, Mylord.“
    „Weißt du denn, wer es war?“
    „Nein, Mylord.“
    Er schwieg, und ich wäre am liebsten weitergegangen, aber er machte keine Anstalten, mich zu entlassen.
    „Wie heißt du?“, fragte er schließlich.
    „Lucy Day, Mylord.“
    „Sind in letzter Zeit Gäste in Bradgate gewesen? Zum Beispiel mein Bruder, der Lordprotektor?“ Er klang wütend, so als würden die Worte, die aus seinem Mund kamen, ihm die Lippen aufschneiden.
    „Nein, Mylord.“
    Er wedelte wieder mit dem Brief. „Und sein Sohn?“
    Ich nickte. „Ja, der war da … und seine Mutter, die Herzogin.“
    „Wie lange waren sie zu Gast?“
    Ich spürte, wie mein Gesicht heiß und rot wurde. Als ich nicht sofort antwortete, kam er einen Schritt auf mich zu und streckte seine Hand nach meinem Arm aus. Unwillkürlich wich ich einen Schritt zurück.
    Als er erneut sprach, war seine Stimme wieder sanft und glatt. Er hob behutsam mein Kinn, sodass ich zu ihm aufblicken musste. Noch nie hatte mich ein Mann so berührt. Ich errötete noch tiefer. Er senkte den Kopf in einer freundlichen Geste und sagte: „Ich mache mir Sorgen um mein Mündel, Lady Jane. Sie hat einen schweren Verlust erlitten, so wie wir alle, und dieser Brief hat sie beunruhigt. Ich frage nur, um herauszufinden, welchen Anlass er hat.“
    Der Lord Admiral ließ seine Hand sinken, aber er war noch einen Schritt weiter auf mich zugekommen, sodass ich sein Parfüm riechen konnte. Es roch würzig und hing in der Luft wie Glühweinduft zu Weihnachten. „Wie lange waren denn die Herzogin und mein Neffe da? Und was war der Anlass ihres Besuches?“
    Ich wollte wegschauen, aber er ließ mich nicht. „Sie waren zur Jagd da, Mylord.“
    Seine Augen wurden größer. „Zur Jagd?“
    Ich spürte Feindseligkeit in seiner Frage, aber es war eine Feindseligkeit, die nicht mir galt.
    „Ja, Mylord.“
    „Und, waren sie erfolgreich?“
    Dem Admiral war ganz sicher klar, dass eine Schneiderin nichts über den Erfolg bei einer Jagd in den Wäldern von Bradgate erfuhr. Doch ich hatte das sichere Gefühl, dass es hier um etwas ganz anderes ging als um erlegtes Wild.
    „Ich weiß es nicht, Mylord.“
    Er stand da, schaute mir direkt ins Gesicht, und ich glaube, er überlegte, ob ich in den kommenden Tagen hinsichtlich seiner Pläne für die Zukunft von Lady Jane eher eine Verbündete oder ein Hindernis für ihn darstellen würde. Dann lächelte er mich an. Nachdenklich und heiter. Seine Haltung war entwaffnend.
    „Es war mir ein Vergnügen, dich kennenzulernen, Lucy. Vielleicht sehe ich dich ja an einem fröhlicheren Tag als diesem einmal wieder.“
    „Euer Verlust tut mir schrecklich leid, Mylord“, sagte ich und machte einen tiefen Knicks.
    „Ja. Es ist wirklich ein schwerer Verlust“, entgegnete er und ging dann an mir vorbei. Ich schaute ihm nach, wie er die Treppe hinuntereilte. An der Wendung der Treppe schaute er noch einmal zu mir hinauf und lächelte. Dann verschwand er in der großen Eingangshalle.
    Als ich mich umdrehte, um meinen Weg ins Ankleidezimmer und meine Unterkunft fortzusetzen, sah ich, dass Lady Jane auf der Treppe stand, die zu ihren Räumlichkeiten führte. Vielleicht hatte sie die ganze Zeit dort gestanden und gehört, was der Lord Admiral mit mir gesprochen hatte. Sie sah so traurig aus, und ich konnte förmlich hören, wie ihr Trauerkleid flüsterte: „Sie weint, sie weint.“
    „Brauchen Mylady irgendetwas?“, erkundigte ich mich, nachdem ich einen Knicks gemacht hatte. Sie kam auf mich zu, und als sie bei mir war, deutete sie mit einem Nicken in Richtung der Treppe, die der Lord Admiral hinuntergeeilt war.
    „Hast du gesehen, von wem der Brief war?“
    „Wie meinen, Mylady?“ Mir war gar nicht in den Sinn gekommen, dass sie den Brief noch gar nicht gelesen haben könnte, bevor der Lord Admiral ihn an sich genommen hatte.
    „Der Brief, den der Admiral dir gezeigt hat, hast du gesehen, wer der Absender war?“
    Ich hatte zwar nicht die Absicht

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