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Neun Tage Koenigin

Neun Tage Koenigin

Titel: Neun Tage Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Meissner
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Alice saß auf einem Hocker und reparierte einen Reifrock für Lady Margery Seymour, die Mutter des Lord Admirals, die als Anstandsdame für Lady Jane im Haus bleiben sollte, weil es sonst keine weibliche Gesellschaft mehr für die junge Lady gab.
    „Du bleibst also bei Lady Jane?“, fragte Alice mich, als ich das schwarze Kleid so weit hinten wie möglich an die Kleiderstange hängte.
    „Ja, Ma’am.“
    „Auch wenn sie hier beim Lord Admiral bleibt?“
    Es war offenbar kein Geheimnis, dass der Admiral die Absicht hatte, Jane bei sich zu behalten. Ich hatte jedoch in Bradgate von niemandem entsprechende Anweisungen erhalten. Das Letzte, was ich von Lady Janes Mutter, der Marquise, gehört hatte, war, dass ich Lady Jane nach dem Begräbnis der Königinwitwe zurück nach Bradgate begleiten solle. Bisher war jedoch nicht die Ankunft einer Kutsche angekündigt worden, die uns dorthin bringen sollte.
    „Das ist mir nicht bekannt, Ma’am“, antwortete ich.
    „Und was soll ich jetzt mit dir anfangen?“, murmelte sie, allerdings so laut, dass ich es hören konnte. Ich war mit dem ausdrücklichen Auftrag nach Sudeley gesandt worden, mich um die Garderobe von Lady Jane zu kümmern, und weil ein elfjähriges Mädchen noch nicht über allzu viel Garderobe verfügte, war es kein umfangreicher Auftrag.
    „Also, wenn du mich fragst …“, setzte sie an, hielt dann aber abrupt inne. Ich blickte von den Kleidern auf, die vor mir lagen, und sah, dass Lady Jane in der Tür stand. Ich machte einen tiefen Knicks, und Alice, die finster dreinschaute und Mühe hatte, auf die Beine zu kommen, verbeugte sich mit dem sperrigen Reifrock im Arm.
    Jane hatte sich umgezogen und trug jetzt ein Kleid aus ockerfarbenem Taft, dessen Oberteil mit Schmetterlingen aus Goldfäden bestickt war. Die einzelnen Abschnitte des Mieders wurden durch gestickte Reihen von indischen Perlen betont. Das Innere ihrer französischen Haube war mit einer wolkenartigen Rüsche aus weißem Batist eingefasst. Sie sah reizend aus und seltsam heiter angesichts der Ereignisse des Vortages.
    „Kann ich irgendetwas für Euch tun, Mylady?“, fragte ich.
    Sie zögerte kurz, als hätte sie plötzlich Bedenken, mich aufgesucht zu haben. „Möchtest du das Baby sehen?“ Ihre Stimme hatte einen leicht unsicheren Unterton.
    Alice, die sich schnaufend wieder auf ihrem Hocker niedergelassen hatte, blickte abrupt auf. Ganz offensichtlich war sie überrascht über diese Einladung von Lady Jane – vielleicht auch eifersüchtig.
    „Aber gewiss, Mylady“, antwortete ich.
    Jane lächelte sofort, wenn auch verhalten. Sie drehte sich in der Tür wieder um, und ich folgte ihr und überließ Alice ihren eigenen Gedanken.
    „Euer Kleid ist wunderschön, Mylady“, sagte ich, während ich ihr einen langen Korridor entlang folgte, den ich bisher noch nicht betreten hatte.
    „Das hat mir die Königin geschenkt. Es war ihr Lieblingskleid.“
    Ein paar Schritte gingen wir schweigend weiter.
    „Ihr wart sehr tapfer heute, Mylady“, meinte ich dann. „Ich kann sehen, wie gern Ihr die Königin gehabt habt.“
    „Sie war wie eine Mutter zu mir“, entgegnete Jane und blickte beim Gehen von dem mit Teppichen ausgelegten Boden auf, aber ihr Blick schien ziellos. „Mehr eine Mutter als meine eigene.“
    Dann blieb sie plötzlich stehen, drehte sich um und sah mich an. Ihr Kleid raschelte dabei protestierend. „Oh, ich habe mich falsch ausgedrückt! Ich meine, die Königin war sehr freundlich zu mir!“, erklärte sie mit ängstlichem Blick.
    Ich hatte bis dahin nur einige wenige Male mit der Marquise zu tun gehabt, aber für mich war stets offensichtlich gewesen, dass sich ihre ehrgeizigen Erwartungen an und für Jane noch nicht erfüllt hatten. Bridget hatte mir erzählt, die Marquise hätte keine Geduld mit ihrer ältesten Tochter, besonders, wenn Jane ausspräche, was sie dachte. Und die Marquise hätte auch keinerlei Hemmungen, Jane sogar zu schlagen, wenn sie sich über sie ärgerte. Gleichzeitig erinnerte mich Bridget aber auch immer wieder daran, dass mich das alles nichts anginge. Ich solle mich einfach um meine eigenen Angelegenheiten kümmern. Sicher war sie davon ausgegangen, dass die Marquise ein paar harsche Worte fallen lassen würde, wenn Jane und ich nach Bradgate zurückkehrten – oder vielleicht sogar Schlimmeres tun würde.
    Jane blinzelte ein paar Tränen der Angst fort. Ich konnte förmlich sehen, wie sie sich vorstellte, dass ich ihrer Mutter erzählen würde,

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