Neun Tage Koenigin
anderthalb Kilometer von dem Anwesen entfernt, auf dem meine Schwester Cecily eine Anstellung bei einem reichen Kaufmann und seiner Frau angenommen hatte.
Ich war inzwischen auch nicht mehr Bridgets Lehrmädchen. Sie hatte sich endlich zur Ruhe gesetzt, als sich ihre nachlassende Sehkraft nicht mehr länger hatte verbergen lassen, und lebte jetzt in bescheidenen Verhältnissen bei ihrer Tochter in Leeds.
Doch die Herzogin vertraute natürlich nicht die gesamte Garderobe des Haushaltes einer achtzehnjährigen Schneiderin wie mir an, und ehrlich gesagt wollte ich auch gar nicht so gern für die Garderobe der Herzogin verantwortlich sein. Sie stellte also anstelle von Bridget zwei erfahrene Schneiderinnen ein sowie ein halbes Dutzend neue und versierte Bedienstete, wie es angesichts ihres neuen Titels angemessen war. Und während ich fürchtete, dass ich zurückgestuft werden und wieder Risse in Reithosen flicken und in irgendwelchen Turmzimmern Reifröcke würde nähen müssen, ließ mich die Herzogin bleiben. Mrs Ellen erzählte mir, Jane hätte ihre Mutter gefragt, ob sie mich nicht behalten könne, weil sie am Hof immer wieder auf ihre schönen Kleider angesprochen worden sei, die ich für sie genäht hatte. Schon allein diese Aussage hatte genügt, die Herzogin davon zu überzeugen, mich an Janes Seite zu belassen.
Da es in jenem Sommer keine Aufwartungen bei Hof zu machen gab, hatten Janes Eltern Zeit und auch die Absicht, sich mit Janes Zukunft zu befassen, mit anderen Worten: mit wem sie ihre Tochter verloben sollten.
Jane wusste von diesen Gesprächen ihrer Eltern genauso wenig etwas wie ich. Es gab jedoch immer Bedienstete, einen Diener oder eine Magd, die Wein nachschenkten oder ein Fenster öffneten oder eine Lampe anzündeten und dabei Bruchstücke solcher Gespräche aufschnappten. Wenn es abends kühler wurde und die Bediensteten zu Abend aßen, wurden solche belauschten Gesprächsfetzen gründlich auseinandergenommen und kommentiert, wahrscheinlich, weil auch wir Bediensteten an jenen langen Sommerabenden fern von der Hektik des Londoner Lebens genügend Zeit und Muße für so etwas hatten.
Ich beteiligte mich nicht an solchen Gesprächen, auch wenn ich unterschwellig oft dazu aufgefordert wurde. Sicherlich hätte ich, die ich ja so viel Zeit in den Ankleidezimmern der Herzogin und ihrer Töchter verbrachte, vieles weitererzählen können, besonders auch Dinge, die Bedienstete betrafen, aber ich wurde nie direkt darum gebeten, etwas zu bestätigen oder zu bestreiten, denn auch unter den Bediensteten gab es eine Art Klassenbewusstsein. Wegen meiner Nähe zu unserer Herrschaft wäre es unschicklich gewesen, mich direkt auszufragen. Aber oft waren alle Blicke im Raum auf mich gerichtet, eine stumme Aufforderung zu einem Kommentar. Gewöhnlich jedoch vergebens. Manchmal konnte ich die Gespräche der anderen Bediensteten ausblenden, was gar nicht so unklug war, denn oft ging es um Themen, über die niemand genug wusste, um angemessen darüber reden zu können.
Aber an dem Abend, als sich das Gespräch nach dem Essen um Janes Heiratsaussichten drehte, blieb ich noch eine Weile am Tisch sitzen, stocherte in einem Teller mit Kartoffeln und lauschte auf jedes Wort.
Laut Aussage einer der Kammerdiener des Herzogs hatte es an besagtem Nachmittag zwischen dem Herzog und der Herzogin viel zu besprechen gegeben. Es war um die Dringlichkeit gegangen, Jane endlich standesgemäß zu verheiraten und ihr eine gute Partie zu sichern.
„Wenn sie ihre hübsche Nase nicht ständig in irgendein Buch stecken würde, dann wäre sie vielleicht einfacher zu verkuppeln“, sagte einer der Pagen. „Sie ist ja insgesamt kein unschöner Anblick. Aber Männer mögen Mädels, die Spaß verstehen und gern lachen, die immer ein Lied auf den Lippen haben und auch mal kokett sein können, oder?“
„Is doch wurscht, was der Mann, der Lady Jane mal heiratet, von ihr hält“, sagte ein Diener. „Der Mann heiratet doch jede, die ihm von seinen Eltern vorgeschlagen wird. So ist es doch immer.“
„Nee. Wahrscheinlich bleibt sie mit irgendeinem alten Lord sitzen, der schon drei Frauen überlebt hat, aber immer noch keinen Erben hat“, warf ein anderer Mann ein. „Einen, der wahrscheinlich einen Krückstock braucht, um es bis zum Altar zu schaffen.“
„Und einen Liebestrank, um in der Hochzeitsnacht ins Ehebett zu kommen!“, witzelte der Page.
Der ganze Raum brach in Gelächter aus, und ich war kurz davor, den Tisch zu
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