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Neun Tage Koenigin

Neun Tage Koenigin

Titel: Neun Tage Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Meissner
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Beobachtung anders zu bezeichnen sei als Ausspionieren. Ich wollte auf keinen Fall, dass sie ihre Mutter mit einer solchen Frage noch mehr reizte, und zu meiner großen Erleichterung unterließ sie es auch.
    „Bittet sie um Verzeihung“, raunte ich ihr zu.
    Jane holte Luft und schluckte. „Bitte vergebt mir, Madam. Ich habe mich falsch ausgedrückt.“
    Die Marquise trat ganz dicht an uns heran, und ihre Augen funkelten vor Zorn. „Lass uns allein, Lucy“, sagte sie zu mir.
    Was hätte ich denn anders tun sollen, als einen Knicks zu machen und mich zu entfernen?
    Als ich später zu den Kutschen bestellt wurde, um Lady Jane zum Hof zu begleiten, saß ich in der Kutsche bei den anderen Bediensteten, sodass ich Jane erst am Nachmittag wiedersah, als ich in den Warteraum gerufen wurde, wo Jane auf ihr Treffen mit dem König wartete. Ich zupfte ihr die Ärmel ihres Kleides zurecht, glättete die Falten in ihrer Schleppe und zog den Rand ihrer französischen Haube gerade. Bei diesen Verrichtungen sprachen wir beide nicht, denn es waren noch andere Bedienstete im Raum. An Janes Kinnlinie war eine leichte Rötung zu erkennen, dort, wo sich bei dem Schlag einer der Ringe der Marquise in ihr Fleisch gebohrt hatte. Jemand hatte die Wunde mit pfirsichfarbenem Talkumpuder ausgefüllt und geglättet.
    Erst viele Stunden später kehrte Lady Jane nach dem Abendessen in das Gästeschlafzimmer zurück. Mrs Ellen half ihr beim Auskleiden und redete beruhigend auf sie ein. Ich stand seitlich hinter Mrs Ellen und nahm die gelbe Satinrobe von ihr entgegen, die ich der Lady nach einem französischen Schnittmuster genäht hatte, um sie wieder in der Garderobe im Nebenzimmer zu verstauen. Jane sah gleichzeitig erschöpft und aufgekratzt aus und auf jeden Fall älter als vierzehn Jahre. Ich glaube nicht, dass Mrs Ellen bemerkte, dass unter der offensichtlichen Müdigkeit von Mylady auch noch ein kaum wahrnehmbares, irgendwie verblüfftes Entzücken vorhanden war. In den Stunden, die Jane beim König verbracht hatte, war irgendetwas geschehen. Etwas, das Jane zu verbergen versuchte, weil sie selbst nicht genau wusste, was sie davon halten sollte. Als sich unsere Blicke im Spiegel begegneten, schaute sie rasch weg.
    In dem Augenblick wusste ich, dass an diesem Tag noch jemand am Hof gewesen war.
    Der junge Edward Seymour.
    In den ersten Tagen nach der Hinrichtung des Lord Admirals hatte Jane Thomas Seymours Tod betrauert, wusste sie doch nicht viel von all dem, dessen er angeklagt und verdächtigt gewesen war. Sie wusste, dass er versucht hatte, seinen Bruder, Edward Seymour, zu stürzen, den Beschützer und Berater des Königs. Sie wusste, dass er vorgehabt hatte, den König bei Nacht und Nebel zu entführen, weil dieser, so behauptete er, vom Kronrat wie ein Gefangener behandelt würde. Was Lady Jane nicht wusste, war, dass er auch geplant hatte, heimlich und ohne Zustimmung des Kronrates Prinzessin Elisabeth zu heiraten. Sie wusste auch nichts von dem Gerede darüber, dass die Prinzessin ein Kind erwartet hatte – sein Kind –, während seine Frau, die Königinwitwe, im Sterben lag. Jane wusste nicht, dass er sogar mit dem Gedanken gespielt hatte, sie selbst zu heiraten, als klar gewesen war, dass er die Prinzessin nicht bekommen würde – und das alles nur, weil er unbedingt wieder Macht und Einfluss bei Hofe erlangen wollte.
    Und als dann der Admiral verhaftet worden war, hatte Jane eigentlich erwartet, dass ihre Eltern ihn öffentlich verteidigen würden, aber nichts dergleichen war geschehen. Sie hatte erwartet, dass der Lordprotektor stellvertretend für seinen Bruder um Vergebung bitten würde, aber auch das war nicht geschehen.
    Monatelang wusste Jane nicht, wie sie mit der Zuneigung umgehen sollte, die sie für den Sohn des Lordprotektors empfand. Der Vater des jungen Edward hatte die Hinrichtung des Admirals abgesegnet, des Mannes, der sie in seine Obhut genommen, sie mit Geschenken überhäuft und ihre geliebte Königin Katherine glücklich gemacht hatte. Ab und zu sprach Jane mit mir über ihre widerstreitenden Gedanken und Gefühle, aber ich glaube, ich war die Einzige, die davon wusste. Meist widmete sie sich mit aller Kraft ihren Studien, um ihre Angst davor zu unterdrücken, dass sie vielleicht nie wieder Glück erleben würde. Sie schrieb viele Briefe an gelehrte Freunde ihres Hauslehrers Mr Aylmer, eines leidenschaftlichen Protestanten, der sie dazu stets ermutigte.
    Durch ihre Korrespondenz und das Lernen war Mylady

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