Neun Tage Koenigin
von nichts anderem gesprochen, als dass ein gutaussehender Gentleman nur Augen für Jane gehabt hätte.“
Jane ging zu ihrem Bett, und ihr weißes Nachthemd flatterte dabei um ihren Körper wie ein Engelsgewand.
„Aber … aber Mylady ist verlobt“, flüsterte ich.
„Vielleicht wird das ja die Dinge ein wenig beschleunigen“, flüsterte Mrs Ellen zurück. „Die Vereinbarung mit Somerset ist immer noch nicht offiziell. Vielleicht wird das die Sache ein wenig beschleunigen.“
Am nächsten Morgen erfuhr ich, dass der gutaussehende junge Herr John Dudleys Sohn Guildford gewesen war.
Weihnachten rückte näher, und ich wollte unbedingt freibekommen, um die Feiertage bei meiner Familie verbringen zu können. Nicholas wollte ebenfalls kommen, um meine Familie kennenzulernen, und ich konnte kaum an etwas anderes denken. Ich wusste, dass unsere Verlobungszeit lang sein würde, denn Nicholas hatte noch ein Jahr in Oxford vor sich, aber ich stellte mir oft vor, wie ich selbst einem eigenen Haushalt vorstehen würde, als Frau von Nicholas Staverton, und wie ich Kinderkleidchen statt Ballkleider nähen würde.
Ende November bekam Jane ein Paket von Prinzessin Maria, die in Herfordshire in der Verbannung lebte. Es gab Pläne, dass Jane und ihre Mutter das Weihnachtsfest bei Prinzessin Maria verbringen sollten, und das Paket war ein verfrühtes Geschenk, damit Jane etwas Schönes anzuziehen hatte, wenn Prinzessin Marie de Guise in der kommenden Woche London besuchen würde. In der Schachtel lag ein erlesenes Kleid, wie es gerade in Frankreich Mode war. Das stark taillierte Mieder mit einem kleinen Koller aus besticktem Batist mit Stehkragen war in winzige Plisseefalten gelegt. Es hatte Puffärmel, die mit Bändern aus Gold, mit winzigen Perlen und edelsteinbesetzten Knöpfen verziert waren.
Der Rock war aus cremefarbenem Satin und der Mantel aus blauem, mit Lilien besticktem Samt. Überall, an jeder Naht und Falte, glitzerten Edelsteine. Die Robe schien dem Betrachter zuzurufen: „Endlich! Wir sind siegreich!“
Lady Jane schnappte nach Luft, als sie es sah. „Was um alles in der Welt soll ich mit so einem Kleid?“, rief sie.
„Na, es tragen, mein kleines Mädchen!“, antwortete Mrs Ellen. „Das Kleid ist schöner als das jeder Königin.“
„Ich … ich kann unmöglich.“ Alle Farbe war aus Janes Gesicht gewichen, und sie betrachtete das Kleid beinah panisch. „Keine aufrechte Protestantin würde so etwas tragen, ja, nicht einmal Elisabeth würde es anziehen. Ich werde es auf keinen Fall tragen.“
„Im Unterschied zu Euch besucht Elisabeth ja auch zu Weihnachten nicht Prinzessin Maria.“
„Aber warum schickt sie mir das? Will sie sich über mich lustig machen?“ Jane drehte sich zu mir um. „Macht sich Prinzessin Maria über mich lustig?“
Bevor ich antworten konnte, dass ich keine Ahnung hatte, warum Prinzessin Maria eine so kostspielige Robe sandte, ergriff Mrs Ellen das Wort. Sie hatte die Hände in die üppigen Hüften gestemmt. „Sie hat Euch eben gern, Mylady. Oder braucht sie mehr Gründe?“
Doch Jane wandte sich trotzdem von dem Kleid ab.
„Ihr werdet Prinzessin Maria noch heute Nachmittag schreiben, um Euch für das großzügige Geschenk zu bedanken, oder die Herzogin wird davon erfahren, und das wollt Ihr ganz sicher nicht, Mylady“, fügte Mrs Ellen hinzu und nahm das Kleid aus der Schachtel heraus.
„Wann reist du ab, Lucy?“, erkundigte sich Jane abwesend. Mrs Ellen schnalzte mit der Zunge, flüsterte irgendetwas vor sich hin und rauschte dann mit dem glitzernden Kleid im Arm aus dem Zimmer.
„Erst in ein paar Wochen, Mylady.“
„Ich wünschte, du würdest uns zu Prinzessin Maria begleiten.“
„Ich werde doch nur für ein paar Tage fort sein.“
„Wird Mr Staverton kommen, um dich zu besuchen?“ Sie fingerte an dem Ring von Edward herum.
„So Gott will“, antwortete ich.
„So Gott will“, sagte auch sie, aber nicht zu mir.
Eine Woche später half ich Jane die Treppe hinunter zum Abendessen, als ein Bote mit furchtbaren Nachrichten in die Eingangshalle gestürmt kam. Der Herzog von Somerset, Edward Semours Vater, war gerade in Westminster Hall der völlig überzogenen Anklage des Hochverrats für schuldig befunden und zum Tode verurteilt worden.
Jane hastete in ihre Gemächer zurück und flehte Mrs Ellen immer wieder an, ihr doch zu sagen, was das für sie und Edward bedeute. Janes Eltern hatten sie nicht zu sich gerufen, ja, sie waren nicht einmal zu
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