Neun Tage Koenigin
den Rückweg zu machen?“
„Er ist schon letzte Nacht hier angekommen. Gegen elf war er in eurer Wohnung, hat er zumindest gesagt.“
„In meiner Wohnung?“
„Meine Güte, Jane, es ist eure gemeinsame Wohnung!“
Ich wollte meine Wut und Enttäuschung nicht an Molly auslassen, aber ich hatte mich nicht mehr beherrschen können. „Entschuldigung“, entgegnete ich deshalb leise.
„Also, wenn du mich fragst, sieht er ziemlich fertig aus.“
„Das meinst wahrscheinlich nur du.“
„Nein. Jeff fand das auch.“
Es wurmte mich, dass Jeff und Molly Brad gesehen, mit ihm gesprochen hatten und ich nicht. Ich fand es unfair.
„Ist er einfach so gekommen und hat plötzlich vor der Tür gestanden?“
„Er ist hergekommen, weil er einfach ein bisschen mit Jeff reden wollte. Er hat nach dir gefragt, Jane. Er hat gefragt, ob du zurechtkommst. Und er hat gefragt, ob wir wüssten, wann du heute wieder da bist.“
„Wieso hat er mich denn nicht einfach selbst angerufen?“, platzte es aus mir heraus. „Ich habe auf der Rückfahrt das Handy die ganze Zeit griffbereit gehabt!“
„Und warum hast du dann nicht einfach ihn angerufen?“
„Ich hab ihn doch angerufen! Gestern Abend schon! Das habe ich dir doch gesagt. Diese ganze Geschichte mit Freiraum und Abstand, das war doch seine Idee. Er wollte das, und ich habe mir wirklich große Mühe gegeben, seinen Wunsch zu respektieren!“
„Vielleicht solltest du dir nicht so große Mühe geben.“
„Was soll denn das jetzt schon wieder heißen?“, entgegnete ich heftig.
„Ich finde, dass du ihm mehr Freiraum lässt, als er verdient hat oder braucht. Ich finde nicht, dass du dich so anstrengen musst, ihm alles recht zu machen.“
„Hat er gesagt, dass er das will?“
„Na ja, Menschen wissen ja gar nicht immer so genau, was sie wollen.“
„Warum erzählst du mir das alles? Hat er etwas zu dir gesagt?“
„Das ist genau das, was er nicht gesagt hat, Jane. Ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll, aber er wirkt irgendwie rastlos. Ich finde einfach, du solltest dir den Raum zurückholen, den du ihm gelassen hast.“
„Du hast leicht reden.“ Ich nahm mein Glas und trank den letzten Schluck Mineralwasser. Es war warm geworden und schmeckte irgendwie metallisch.
„Du solltest ihn heute Abend anrufen.“
„Ja, klar.“
„Das meine ich wirklich. Er hat erzählt, Connor möchte gerne, dass du nächsten Samstag zu seinem Wettkampf nach Dartmouth kommst.“
„Das hat er erzählt? Hat er denn auch verraten, wie ich dahin kommen soll? Er hat nämlich den Wagen, schon vergessen?“
„Ich glaube, deshalb war er hier. Er hat uns gefragt, ob wir dich nächsten Samstagmorgen nach Newark zum Flughafen bringen können, damit du von da aus einen Pendlerflug nach Manchester nehmen kannst.“
„Einen Pendlerflug.“
„Er hat gesagt, er fühlt sich mies dabei, dass er den Wagen hat und du deshalb bei keinem von Connors Wettkämpfen dabei sein kannst. Ich glaube, er will dir auch dein Flugticket bezahlen.“
„Mein Flugticket“, echote ich tonlos.
„Ich glaube, er möchte dich sehen, und ich glaube, dass er dich auch vermisst.“
Abrupt stand ich auf. Es waren einfach zu viele Informationen, die da auf mich niederprasselten. Die Möglichkeit, dass Brad mich vermissen könnte, erfüllte mich mit einem Prickeln.
„Ich bin noch gar nicht zu Hause gewesen. Ich muss Emma anrufen, bevor es zu spät wird. In England ist es jetzt schon nach acht.“
„Hast du gehört, was ich gesagt habe?“
„Ja, ich habe dich verstanden, aber ich muss jetzt los.“
„Und du bist nicht sauer auf mich.“
„Ich bin nicht sauer auf dich.“ Ich beugte mich vor, um meine Handtasche vom Boden aufzuheben.
„Und du rufst heute Abend noch Brad an, ja?“, fragte sie.
„Zuerst Emma.“
Molly stand ebenfalls auf, und wir gingen mit unseren Gläsern in der Hand vom Balkon zurück in die Wohnung. „Willst du sie wegen des Rings anrufen?“
„Ja. Der Juwelier, bei dem ich früher mal gearbeitet habe, sagt, dass er ein echtes Schnäppchen ist, aus der Zeit vor Elisabeth I., soweit er das beurteilen kann. Er meint, dass der Ring sechstausend Dollar wert sein könnte.“
„Wow, das ist ja fantastisch.“
„Ja, sieht ganz so aus. Ich wünschte, ich wüsste, woher er stammt. Ich glaube nicht, dass der Vorbesitzer eine Ahnung gehabt hat, was in der Kiste war, in der ich das Gebetbuch gefunden habe. Irgendwann hat jemand den Ring darin versteckt, und ich wüsste zu
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