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Neun Tage Koenigin

Neun Tage Koenigin

Titel: Neun Tage Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Meissner
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dass Jane wirklich Angst hatte, mit einem Mann das Bett zu teilen, selbst wenn sie sich zu dem Mann hingezogen fühlte.
    „Meine Mutter sagt, es ist ganz natürlich, dass man Angst vor dem Unbekannten hat, Mylady. Macht Euch darüber keine Sorgen. Es ist doch Gott, der es so gemacht hat zwischen Mann und Frau, nicht wahr?“
    Sie nickte. „Ja.“ Aber in Gedanken schien sie weit weg zu sein.
    „Was ist denn, Mylady?“
    Jane zögerte kurz und schaute sich dann in ihrem Zimmer um. „Ich habe nie ein anderes Leben kennengelernt als dieses hier. Mama und Papa haben immer alles für mich entschieden – mit wem ich zusammen bin, mit wem nicht, ja, sogar, wo ich nachts mein Haupt zur Ruhe bette. Ich bin nie mit einem Mann hinter einer geschlossenen Tür allein gewesen. Ich bin meinen Eltern gegenüber immer folgsam gewesen und habe mich immer ihren Wünschen gefügt. Mir kommt es sehr seltsam vor, dass ich schon so bald nicht mehr mit ihnen unter ihrem Dach leben werde. Oder unter ihrer Fuchtel.“
    Sie schwieg kurz, bevor sie dann fortfuhr.
    „Ich frage mich, wie es wohl sein wird, selbst solche Entscheidungen zu treffen, wie Mama sie jetzt trifft. Und sie trifft viele Entscheidungen, weißt du. Sie ist eine Frau, genau wie ich, und so, wie ich mich dem Willen meines Mannes unterwerfen werde, tut sie es auch. Aber sie trifft dennoch Entscheidungen. Sie trifft jeden Tag Entscheidungen. Ich frage mich, wie das wohl sein wird.“
    Mehr sagte sie darüber nicht und ich auch nicht. Und das erwartete sie auch gar nicht. Weil ich inzwischen schon eine ganze Weile für Jane arbeitete, kannte ich viele ihrer innersten Gedanken. Die meisten davon hatte sie mir gar nicht bewusst mitgeteilt, sondern sie hatte sie einfach laut für sich selbst ausgesprochen, um sie zu hören. Und damit sie gehört wurden.
    Einen Moment später kam Mrs Ellen wieder ins Zimmer gerauscht. Janes Eltern hatten einen Pagen gesandt. Sie waren jetzt bereit, ihre Tochter zu empfangen.
    Jane erhob sich langsam vom Sofa und glättete ihren Rock. Ich stand ebenfalls auf. Sie schloss die Augen und holte einmal tief Luft. Während sie wieder ausatmete, öffnete sie die Augen und sagte die sechste Seligpreisung auf Lateinisch auf.
    „ Beati mundo corde, quoniam ipsi Deum videbunt .“
    Die Übersetzung ging mir durch den Kopf. Selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.
    Sie ging zwei Schritte zur Tür, drehte sich dann aber noch einmal zu mir um und sagte: „Warte hier auf mich.“
    Ich machte einen Knicks, und noch bevor ich wieder aufgestanden war, hatte sie sich schon wieder zur Tür umgewandt und machte sich, begleitet von Mrs Ellen, auf den Weg zu ihren Eltern.
    Unfähig, mit meiner Näharbeit fortzufahren, wartete ich auf dem Sofa auf sie. Mir kam es so vor, als würde auch gerade über meine Zukunft entschieden, zumindest über meine nähere Zukunft.
    Mrs Ellen und Jane waren nicht lange fort. Als ich hörte, wie sich schnelle Schritte der Tür näherten, stand ich auf. Ich war so gespannt, dass mir fast das Herz stehen blieb.
    Dann flog die Tür auf, und Jane kam tränenüberströmt hereingestürzt und fasste sich an die Brust. Sie stürmte an mir vorbei, und ihr raschelnder schwarzer Rock war das einzige Geräusch, das von ihr kam. Sie ging in ihr Schlafzimmer, schloss die Tür hinter sich, und erst da war der erste Laut von ihr zu hören: ein schmerzerfülltes Schluchzen voller Zorn und Hoffnungslosigkeit.
    Auch mir standen Tränen des Mitgefühls in den Augen, obwohl ich noch gar nicht wusste, was geschehen war. Ich wandte mich von Janes geschlossener Schlafzimmertür ab und sah, dass inzwischen auch Mrs Ellen das Zimmer betreten hatte. Sie biss sich auf die Lippe, schüttelte den Kopf und versuchte, gegen ihre Gefühle anzukämpfen, die ebenso gut Kummer, wie Wut oder auch Verzweiflung sein konnten.
    „Was ist passiert?“, fragte ich.
    Mrs Ellen schloss die Tür hinter sich und lehnte sich dann von innen dagegen.
    „Der Herzog und die Herzogin haben nicht Edward für sie ausgewählt“, sagte sie.
    „Jemand anderen?“
    Sie schloss die Augen und nickte.
    „Wen?“
    Sie sagte den Namen so langsam, als hinterließe er einen bitteren Geschmack auf ihrer Zunge. „Guildford Dudley.“
    John Dudleys Sohn.

Siebenundzwanzig
    Zwei Tage lang bekam ich Jane nicht zu Gesicht. Sie blieb in ihrem Schlafzimmer und ließ nicht nach mir rufen. Dafür wurde ich zu ihrer Schwester Katherine geschickt. Die flatterhafte Dreizehnjährige

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