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Neun Tage Koenigin

Neun Tage Koenigin

Titel: Neun Tage Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Meissner
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getragen.“
    „Sie haben wirklich keine Ahnung, wer Jane Grey war, oder?“
    „Nein, Wilson, ich weiß es nicht.“
    „Warten Sie mal kurz.“ Ich hörte, wie Wilson mit jemandem redete, aber ich konnte nicht verstehen, was gesprochen wurde. „Eric sagt, dass er Ihnen den Link schickt. Wie lautet Ihre private E-Mail-Adresse?“
    Ich stand von dem Sessel auf und gab meine E-Mail-Adresse durch, während ich zum Schreibtisch hinüberging. Dort schaltete ich den Computer ein, setzte mich und wartete.
    „Ist sie angekommen?“, fragte er nach einer Weile.
    „Während er sprach, ertönte das Signal für eingegangene Nachrichten. „Ja, ich hab’s. Glauben Sie, dass der Ring ihr gehört hat, Wilson?“
    „Es würde mich jedenfalls nicht wundern, wenn es so wäre. Aber eigentlich nein. Macht aber doch Spaß, es sich das vorzustellen, oder? Na ja, wenigstens haben Sie jetzt etwas zu lesen. Wir können ja dann morgen weiterreden. Tschüss, Jane.“
    „Auf Wiedersehen, Wilson. Und vielen Dank.“
    Ich legte auf, nahm den Ring aus meiner Rocktasche und legte ihn so auf den Schreibtisch, dass ich die Steine funkeln sehen konnte.
    Dann hockte ich mich im Schneidersitz hin und öffnete den Link zu einer Biografie von Lady Jane Grey.
    Dann begann ich zu lesen.

Lucy
    London, England, 1553

Sechsundzwanzig
    Die Räume im Richmont Palace dufteten nach Mairosen, aber Lady Jane schien den belebenden Duft gar nicht wahrzunehmen.
    Sie ging zwar in majestätischer Schönheit nervös auf dem Teppich in ihrem Zimmer auf und ab, aber sie ging eben nervös auf und ab. Während ich auf dem Boden zu ihren Füßen eine zerrissene Reitjacke flickte, rezitierte sie Verse aus dem Johannesevangelium; zunächst auf Englisch, dann auf Latein, danach auf Griechisch und schließlich in einer Sprache, die ich nicht verstand. Sie steckte mich mit ihrer Nervosität so sehr an, dass ich mir beim Nähen in den Finger stach.
    Ich zuckte zusammen und steckte den Finger in den Mund, aber Jane bemerkte es gar nicht. Es war der Tag, an dem ihre Eltern endlich eine Entscheidung darüber treffen würden, mit wem sie verlobt werden sollte. Sie möge sich bitte bereithalten, man werde sie irgendwann vor dem Mittagessen rufen, hatten ihre Eltern ihr ausrichten lassen. Endlich, nach all den langen Monaten des Wartens, würde eine Entscheidung bezüglich Edward Seymours fallen.
    Ich an ihrer Stelle wäre ganz sicher ebenfalls nervös auf und ab gegangen.
    Mit fast sechzehn Jahren war sie bereits eine richtige Dame. Damals, als ich sie kennengelernt hatte, war sie elf Jahre alt gewesen und hatte gerade den Tod einer geliebten Königin betrauert, ganz allein in dem wunderschönen Palast, umgeben von Menschen, die über jeden Schritt in ihrem Leben bestimmten. Heute befand sie sich in einem anderen Palast und war von noch mehr Menschen umgeben, die über jeden ihrer Schritte entschieden.
    Die vergangenen Monate waren voller schlechter Nachrichten gewesen, angefangen bei der Hinrichtung von Edwards Vater an einem grauen Januarmorgen.
    Ich war nach den Weihnachtstagen des Jahres 1551, in denen mein lieber Nicholas und ich uns verlobt hatten, nach London zurückgekehrt und hatte die schockierende Entwicklung miterleben müssen, dass die Strafe des ehemaligen Lordprotektors nicht aufgehoben wurde, wie wir alle gehofft hatten. Jane war bereits schlecht gelaunt von den Feiertagen bei Prinzessin Maria zurückgekehrt, denn sie und ihre königliche Base hatten nicht denselben Glauben. Die Nachricht vom Schicksal des ehemaligen Protektors verstärkte ihre Melancholie zusätzlich.
    Dem Dienstbotenklatsch und sogar den Gesprächen der Lords und Ladys beim Frühstück zufolge, hatte John Dudley, der Herzog von Northumberland, den Sturz des älteren Edward Seymour angezettelt, um sich die Freundschaft und Loyalität mächtiger Männer zu sichern, denen Seymour völlig gleichgültig war. Weshalb John Dudley unbedingt so viele einflussreiche Freunde haben wollte, war mir nicht bekannt. Nicholas erklärte mir, dass diese Art von Machtgebaren bereits Königreiche hatte entstehen und wieder untergehen lassen. Das alles wäre jedoch gar nicht so beunruhigend gewesen, wäre Seine Majestät, der König, nicht ernsthaft erkrankt. Es gab Gerüchte, denen zufolge Dudley, der auch der engste Vertraute des jungen Königs war, sich oft im Krankenzimmer Seiner Majestät aufhielt und dem König immer wieder Urkunden und Dokumente zur Unterschrift vorlege, und zwar zu jeder Tages- und

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