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Neun Tage Koenigin

Neun Tage Koenigin

Titel: Neun Tage Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Meissner
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Nachtzeit. Und mancherorts wurde gemunkelt, dass John Dudley, der Herzog von Northumberland, den König vielleicht sogar langsam vergiftete.
    Aus welchem Grund, das wusste ich nicht.
    Wenn Jane zu Hause war, bekam sie solche Gerüchte gar nicht mit, wohl aber, wenn sie ihre Eltern zu Festen und anderen Anlässen begleiten musste. Es war kein Geheimnis, dass es John Dudley gewesen war, der Seymour in die hoffnungslose Lage manövriert hatte, des Hochverrats angeklagt und für schuldig befunden zu werden. Diese Anklage gegen ihn war für uns alle, die wir nicht in Verbindung zum Hof standen, schwer zu glauben.
    Und Jane glaubte ganz sicher nicht daran.
    Ihre Abneigung gegen John Dudley und seine politischen Machenschaften trieb sie zur Weißglut, und Mrs Ellen und ich durften seinen Namen in ihrer Anwesenheit nicht aussprechen, was allerdings auch nie vonnöten war. Gespräche zwischen ihr und ihrem geliebten Edward – die paar Male, die sie überhaupt stattgefunden hatten – waren beherrscht gewesen von Gefühlen, die sie vor anderen verbergen mussten und die nur ich verstand. Wenn Edward bei Jane zu Besuch war, sprach ich natürlich nicht mit ihm, aber ich sah ja seine Miene von der anderen Seite des Raumes aus oder im Garten oder wenn er aus der Kutsche stieg.
    Es war eine sorgenvolle Miene; die Miene eines Mannes, der an Gegebenheiten gebunden ist, über die er selbst keine Kontrolle hat.
    Ich rechnete fest damit, dass Janes Eltern die inoffizielle Verlobung ihrer Tochter mit Edward nach der Hinrichtung von Edwards Vater wieder lösen würden, auch wenn ich darüber zu Jane natürlich kein Wort sagte. Nicholas erzählte mir, dass der junge Edward ein reicher Mann und immer noch eine gute Partie wäre, wenn die Ländereien und Besitztümer des Herzogs bei dessen Tod auf seinen Sohn übergingen. Da aber monatelang ungeklärt blieb, wie mit dem Vermögen des Herzogs verfahren werden sollte, gab es auch immer noch keinen offiziellen Ehevertrag zwischen Jane und dem Mann, den sie liebte.
    Ein ganzes Jahr war inzwischen vergangen, und immer noch gab es keinen offiziellen Vertrag. Währenddessen verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Königs stetig. Nicholas und ich machten inzwischen Pläne für unsere eigene Hochzeit, die im Juni stattfinden sollte. Jane hatte bereits beschlossen, dass ich bei ihr bleiben sollte, wenn sie und Edward heirateten, und dass Nicholas dann der Hauslehrer ihrer Kinder werden sollte. Ich hatte gelacht und ihr gesagt, es werde sicher noch einige Jahre dauern, bis die Kinder in einem Alter wären, in dem sie Lesen, Schreiben und Rechnen lernen könnten, worauf Mylady geantwortet hatte, dass Nicholas ja dann uns unterrichten könne, sie und mich. Jane liebte es zu lernen. Wenn sie nicht ihre Bücher und Übersetzungen und ihre Briefwechsel mit Gelehrten auf dem Kontinent gehabt hätte, wäre sie in diesen vielen Monaten, in denen sie auf eine Entscheidung bezüglich ihrer Heirat wartete, sicher schier verrückt geworden.
    Es blieb also abzuwarten, wie es nach meiner Hochzeit mit Nicholas mit mir weitergehen würde. Eine Anstellung als erste Damenschneiderin im Haushalt einer verheiraten adeligen Dame war verlockend, und Nicholas würde zweifellos einen hervorragenden Hauslehrer für die künftigen Kinder von Jane und Edward abgeben. Aber noch gab es keine Kinder, und deshalb würde mein künftiger Mann bis dahin noch eine andere Stellung brauchen. Und dafür, dass er eine Stelle an der Schule seines Onkels in Worcester bekommen würde, gab es keine Garantie.
    In diesem Augenblick betrat Mrs Ellen den Raum und schaute sich das Auf und Ab von Mylady mit strengem Blick an. Sie stemmte die Hände in die Hüften und sagte: „Ihr tretet ja den Teppich völlig ab, Mädchen.“ Trotz ihrer gestrengen Haltung war ihr Tonfall jedoch besänftigend.
    „Der Teppich ist mir gleichgültig“, sagte Jane und rezitierte unmittelbar darauf die erste Seligpreisung auf Englisch.
    „Vielleicht hättet Ihr ja Lust, ein paar Briefe zu schreiben. Ihr schreibt doch so gern Briefe.“
    „Keine Briefe heute“, erwiderte Jane, seufzte und ließ sich dann mir gegenüber auf dem Sofa nieder. „Beschreibe mir doch noch einmal, wie dein Kleid aussieht, Lucy.“
    „Nicht schon wieder“, murmelte Mrs Ellen nur völlig entnervt und entfernte sich in Janes Salon.
    Mein Brautkleid, an dem ich jeden Abend bei Kerzenlicht nähte, bevor ich ins Bett ging, hatte ich selbst entworfen. Es war noch nicht so weit, dass ich

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