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Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meira Pentermann
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sollten eh bis zum Morgen warten.“
    „Ich dachte, wir wollten immer nachts reisen?“
    „Sie scheinen uns nicht zu verfolgen und wir brauchen etwas Schlaf.“
    Genau genommen wollte Leonard den Zustand des Tunnels überprüfen, bevor sie ihn betraten. Nun, da sie die Dunkelheit einhüllte, würde sich ein solches Unternehmen als unmöglich herausstellen. Natalia und Leonard schlugen ihr Lager am Rand der Straße auf. Leonard hoffte, dass die Thermo–Kapuzenpullis und die Schlafsäcke ihnen genügend Schutz boten. Er traute sich immer noch nicht, ein Feuer zu machen. Sie teilten sich noch ein Verpflegungspaket, aßen aber nur den Hauptgang und hoben sich die Snacks für den nächsten Tag auf.
    ***
    Erpicht darauf, den Tunnel zu untersuchen, schlängelte sich Leonard am nächsten Morgen aus seinem Schlafsack und befand es nicht für nötig, Natalia aufzuwecken.
    Die Betonfassade des Eisenhower–Tunnels bestand aus zwei einzelnen, viereckigen Durchgängen. Die elektronischen Richtungspfeile, Schilder und Röhrenleuchten schienen schon seit einiger Zeit außer Betrieb. Die Wände und die Decke waren mit einer dicken Schmutzschicht überzogen, sodass es den Anschein hatte, als ob der Tunnel aus Dreck gehauen worden war.
    Bis zum Morgen zu warten, hatte nur einen klitzekleinen Unterschied gemacht. Leonard konnte höchstens knapp hundert Meter in den Tunnel hineinsehen, da dieser sofort einen Bogen nach rechts machte. Trotzdem waren es knapp hundert Meter mehr, als er letzte Nacht sehen konnte.
    „Warum hast du mich nicht geweckt?“, murrte eine launische Stimme.
    „Tut mir leid“, sagte Leonard abwesend. „Ich wollte mich nur mal umsehen.“
    „Du hättest mich wecken können“, beschwerte sich Natalia. Aber Neugier erstickte ihren Zorn. Sie näherte sich dem Tunnel Richtung Westen und riss die Augen weit auf.
    Leonard ging einen Schritt hinein und fuhr mit der Hand über die Wand. Kleine, weiße Fliesen kamen zum Vorschein, als er den Schmutz wegwischte. Hier und da waren ein paar von ihnen angeknackst, ansonsten schien die Konstruktion jedoch ziemlich stabil. Er lief einige Schritte weiter hinein und überprüfte eine andere Stelle. Er fand keine Sprünge in der Wand oder erwähnenswerte Risse in der Straße. Danach neigte er den Kopf nach hinten, um mit den Augen die Decke zu untersuchen. Obwohl sie ziemlich schmutzig war, schien die Oberfläche recht eben. Es gab keine Anzeichen für einen bevorstehenden Einsturz. Nach einigen weiteren Schritten stellte Leonard mit Entsetzen fest, dass sie eine gute Strecke ihres anstrengenden Marsches durch den Berg in völliger Dunkelheit zurücklegen müssten.
    „Es ist ein weiter Weg“, sagte er. „Wir werden mindestens eine halbe Stunde im Dunkeln verbringen.“
    Natalia zuckte mit den Schultern. „Ich bin ein großes Mädchen.“
    „Ich rede von völliger Finsternis.“
    Sie warf verzweifelt die Hände in die Luft. „Was willst du sonst machen, Dad? Über den Berg klettern?“
    Er war ebenfalls der Meinung, dass ihre Alternative nicht gerade sehr ansprechend war. „Sieht sicher aus“, sagte er abschließend. „Packen wir zusammen und machen uns auf den Weg.“
    Nach einem kleinen Snack schnürten sie die Schlafsäcke an ihre Rucksäcke und brachen auf.
    Leonard griff nach Natalias Hand und führte sie zur linken Leitplanke. Auf der anderen Seite befand sich eine schmale Plattform, die Hilfskräfte im Notfall benutzen konnten, aber Leonard schlug vor, dass sie auf der Straße blieben und die Leitplanke zur Orientierung nutzten.
    „Ich habe keine Ahnung, ob es auf dem Fußweg nicht irgendwelche Stufen gibt und ich will es auch nicht auf die harte Tour herausfinden.“
    Sie liefen langsam, Schritt für Schritt durch den Berg. Das Licht hinter ihnen erlosch, während sie sich vorwärtsbewegten. Innerhalb von Minuten befanden sie sich in völliger Finsternis. Die Reise zog sich weiter hin und Raumangst machte sich bemerkbar. Nach einer gefühlten halben Stunde fingen Leonards Handflächen an zu schwitzen. Dann entdeckte er in der Ferne eine schwache Lichtquelle.
    Natalia atmete erleichtert auf. „Dad, sieh nur.“ Ihre Stimme hallte durch den Tunnel.
    Er drückte ihre Hand. „Das ist es.“
    Als die rechteckige Lichtquelle größer und größer wurde, beschleunigten sie ihr Tempo. Ein leichtes Pfeifen deutete darauf hin, dass sie beim Verlassen des Tunnels Wind erwartete. Als das schwache Licht schließlich hell genug war, um die Straße erkennen zu lassen,

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