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Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meira Pentermann
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rannten sie lachend los. Ihr Lachen prallte von den Wänden ab und entschwand durch den Tunnelausgang. Nadelbäume wiegten sich im Wind und die Sonne brannte auf den verschlissenen Asphalt nieder.
    Ein paar Meter vor dem Ausgang packte Leonard Natalia und küsste sie auf den Kopf.
    „Das war doch gar nicht so schlimm“, rief er, während ihn Erleichterung und Freude erfüllten.
    „Überhaupt nicht schlimm!“, strahlte sie.
    Ihre Fröhlichkeit sollte jedoch nur von kurzer Dauer sein, denn als sie aus dem Tunnel kamen, erwartete sie eine eher weniger friedvolle Willkommensparty.
    Zwei in schwarze Lederjacken gekleidete Personen, deren Gesichter mit dunklen Motorradhelmen verdeckt waren, hatten sich auf beiden Seiten des Ausgangs positioniert. Beide saßen jeweils auf einer Harley und hatten eine Schrotflinte in der Hand, mit der sie direkt auf Leonard und Natalia zielten.
    Vater und Tochter blieben abrupt stehen und hoben langsam ihre Hände.

Kapitel Dreiunddreißig

     
    „Na sieh mal einer an, was wir hier haben, Aiden“, säuselte der Motorradfahrer auf der linken Seite. „Ein paar Landstreicher.“
    Der andere Motorradfahrer lehnte seine Schrotflinte gegen die Harley und nahm seinen Helm ab. Ein Teenager, nicht älter als fünfzehn Jahre, sah Natalia vergnügt an. Sein zerzaustes, dunkelbraunes Haar wehte um sein glattes Gesicht und konnte seine spitzbübischen, braunen Augen nicht verbergen. Er legte den Kopf schief und grinste verspielt.
    „Wenn sie eine Verfassungsschützerin ist, dann ist sie die süßeste Verfassungsschützerin, die ich je gesehen habe.“
    Überrascht sah Leonard erst den Jungen und dann Natalia an. Unter einer Schicht Schmutz konnte er erkennen, dass seine Tochter rot wurde. Sie starrte auf ihre Füße und biss sich auf die Lippe.
    „Halt deine Stellung, Aiden“, befahl der erste Mann. „Ich hatte es im Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt, nicht wahr? Nur gut, dass wir hier hochgekommen sind. Wir hätten im Schlaf angegriffen werden können.“
    Aiden machte eine abweisende Handbewegung. „Herrgott nochmal, Vater, sieh sie dir doch mal an. Sie sehen aus, als wenn sie gerade aus einer Mine gekrochen wären.“
    „Ich weiß, wie sie aussehen. Das heißt aber nicht, dass sie nicht irgendetwas im Schilde führen.“ Er entspannte eine Sekunde lang seine Haltung und klappte das Visier seines Helmes hoch. Ein grauer Schnurrbart und strenge Augen kamen zum Vorschein.
    „Von wo kommt ihr?“
    „Wir… äh… sind aus der Klinik geflohen.“
    „Wo sind dann eure orangenen Overalls?“
    Da er spürte, dass die Situation im Begriff war, außer Kontrolle zu geraten, fügte Leonard hinzu: „Wir waren nur ein paar Stunden dort.“
    „Ihr seid ihnen also einfach so entkommen, hmm?“
    „Ein Soldat hat uns geholfen.“
    Der alte Mann wendete sich Aiden zu und fragte: „Kennst du irgendwelche Gegenrevolutionäre in der Klinik?“
    „Nein.“ Aiden schüttelte seinen Kopf und starrte Leonard an.
    „Er hat uns nur wegen Natalia geholfen“, erklärte Leonard schnell. „Er hatte sich gewünscht, seine Tochter würde auch mit ihm flüchten.“
    „Ich mag deinen Namen“, sagte Aiden unbeholfen.
    Der Fremde starrte seinen Sohn an. Dann hob er ein Bein über seine Harley und richtete seine Waffe wieder auf Leonard. „Du weißt schon, dass sie euch orten können, du Idiot. Darum hat der Schweinehund dir geholfen.“
    „Nein. Wir haben unsere Sender schon in Denver funktionsunfähig gemacht.“
    „Ach, wirklich?“ Der Schnurrbart des Mannes zuckte. Er klang neugierig.
    „Ja, meine Frau ist Ärztin. Sie hat uns durch ein MRT–Gerät geschickt.“
    „Ist das so?“
    „Es scheint funktioniert zu haben.“
    „Ja, es funktioniert.“ Der Mann sah Natalia prüfend an. „Wo ist deine Mom?“
    Natalia sah zu Boden.
    Leonard stammelte. „Sie… äh… sie blieb zurück.“ Das Ausmaß dessen, was Alina für sie aufgeopfert hatte, überwältigte Leonard erneut. „Sie blieb zurück, damit wir entkommen konnten.“
    „Ich verstehe“, sagte der Mann skeptisch.
    Aiden stieg ebenfalls von seinem Motorrad, klappte seine Schrotflinte in der Mitte zusammen und legte sie auf den Boden.
    „Ich hab gesagt, du sollst deine Stellung halten, verdammt nochmal, Aiden.“
    „Vater“, sagte er ungeduldig. „Sie sind unbewaffnet.“
    „Woher willst du das wissen? Taste sie ab.“
    Aiden verdrehte die Augen und ging auf Leonard zu. Er klopfte ihn grob ab und wendete sich dann Natalia zu. Ihr Gesicht

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