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Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meira Pentermann
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sehr nah an das Gelände des Stützpunktes zu bringen.
    „Vielleicht gibt es ja einen Shuttlebus“, warf Alina ein.
    Leonard seufzte. „Ich nehme an, das werde ich dann wohl rausfinden, wenn ich da bin.“
    Zum Glück kam Leonards Bus zur Aurora–Station zuerst und Alina konnte dafür sorgen, dass er auch in den richtigen einstieg, bevor sie ging. In dem Bus war es unangenehm feucht und schmutzig, zusätzlich pfiff ein Wind durch die undichten Fenster. Dankbar für den sonnigen Septembermorgen setzte sich Leonard in den hinteren Teil des Busses. Wäre es etwas frischer gewesen, hätte der Wind durch die Ritzen gezogen und die Fahrgäste wären durch die Kälte bis auf die Knochen durchgefroren.
    Der Bus bog auf die Interstate 225 ab und Leonards Magen zog sich plötzlich zusammen. Er hatte es geschafft, diese Strecke über dreißig Jahre lang zu meiden. Und hier war er nun, bald würde er an dem Unfallort vorbeikommen. Um noch zusätzlich Salz in die Wunde zu streuen, war genau dieser Ort nun Auslöser einer Reihe von Ereignissen gewesen, die Leonard in eine alternative Höllenrealität befördert hatten – eine Realität mit totalitärem Staat und Dutzenden Abkürzungen für irgendwelche Regierungsorganisationen, deren Funktion er noch nicht einmal verstand.
    Leonard konzentrierte sich auf alles andere, nur nicht auf die Schilder um ihn herum. Er hoffte, so an der Unfallstelle vorbeizufahren, ohne es zu merken. Das war gar nicht so schwer, wie er dachte, denn er konnte absolut nichts wiedererkennen. Auf beiden Seiten der Straße ragten Sozialbauten empor und lösten in Leonards ohnehin schon lädierter Psyche klaustrophobische Anfälle aus.
    Gab es etwa eine Bevölkerungsexplosion?
    Leonards trübselige Gedanken verschwanden ganz plötzlich, als der Busfahrer die Durchsage „Transfer–Station Nummer Fünf“ machte.
    Er stieg aus, ging zum Fahrplan an der Haltestelle und versuchte, wie ein alteingesessener Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel auszusehen. Er betrachtete den Fahrplan einige Minuten lang und sah dann auf seine Uhr. Bus Nummer neunundvierzig sollte in zwanzig Minuten kommen; Bus Nummer fünfzig in zehn. Leonard dachte über seinen nächsten Schritt nach und wäre beinahe nach hinten umgefallen, als er spürte, wie ihm jemand energisch auf die Schulter tippte.
    „Tramer, bist du taub? Der Shuttlebus ist da.“
    Leonard drehte sich um und sah vor sich einen rothaarigen Mann mittleren Alters, der ihn mit einem genervten Blick ansah.
    „Ich hab nach dir gerufen“, erklärte der Mann.
    Über die Schulter des Mannes hinweg sah Leonard einen hellblauen Van ohne weitere Aufschrift.
    „Komm schon.“ Der Fremde zog Leonard am Ärmel mit sich zum Van. Er schubste Leonard durch die Tür. Außer zwei Plätzen ganz hinten im Van war schon alles besetzt, sodass ihm die Wahl des Sitzplatzes nicht schwer fiel.
    „Hey McGinnis. Was dauert denn da so lange?“, fragte ein stämmiger Mann in der ersten Reihe, als Leonard und der Rotschopf sich an ihm vorbeidrängten.
    „Ich musste nur einen Nachzügler einsammeln.“
    McGinnis . Leonard speicherte diese Information in seinem ohnehin schon vollgestopften Kopf ab und setzte sich auf den Platz am Fenster. McGinnis setzte sich neben ihn.
    „Wenn wir da sind, bring ich dich erst mal zur Kaffeemaschine“, sagte McGinnis fröhlich. „Du bist heute Morgen offensichtlich nicht ganz auf der Höhe.“
    „Oh ja, tut mir leid. Ich bin zurzeit wohl ziemlich abwesend.“
    „Was du nicht sagst.“
    Leonard sah aus dem Fenster und beobachtete, wie die zusammengewürfelte Ansammlung von Wohnsiedlungen und mehrstöckigen Apartmenthäusern einer Wiesenlandschaft wich.
    McGinnis räusperte sich. „Und? Dieses Wochenende irgendwas Tolles gemacht?“
    Wenn du unter toll verstehst, mit einer vermeintlichen Zeitmaschine in eine alternative Realität zu reisen, dann war das Wochenende echt der Kracher. Ansonsten habe ich fast den gesamten Sonntag lang diesen bescheuerten Ausweis gesucht. „Ach nein, nichts Besonderes. Und du?“
    „Ich bin zu dem Spiel gegangen. Hatte super Plätze.“ Er schien sehr zufrieden mit sich selbst zu sein.
    Football ? „Wie bist du an die Karten gekommen?“
    „Durch viele Stunden schamloser Arschkriecherei, für die ich ja, wie du so schön festgestellt hast, berühmt bin. Aber es lohnt sich, Mann. Es lohnt sich. Du müsstest ab und zu einfach mal aus deinem stillen, kleinen Ingenieursloch rausgekrochen kommen.“ McGinnis lachte in sich

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