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Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meira Pentermann
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genommen hatte er überhaupt keine Beziehungen mehr gepflegt. Online Frauen anbaggern und sich mit ihnen in Bars treffen konnte man nicht gerade als Beziehungen bezeichnen. Obwohl Leonard im realen Leben nicht unbedingt an das riesige Arschloch aus dieser Welt heranreichte, konnte er sich beim besten Willen auch nicht als ehrenhaften Mann darstellen. Während er überlegte, hätte er beinahe eine Sicherheitskontrolle übersehen. Er konnte sich gerade noch rechtzeitig auf McGinnis konzentrieren und beobachten, wie er sich erneut über einen Netzhaut–Scanner beugte. Die Maschine gab einen Piepton von sich, die Schranke öffnete sich jedoch nicht. Stattdessen gab McGinnis einen fünfstelligen Code vor sich in eine Zahlentastatur ein.
    Verdammt. Das war’s dann wohl.
    McGinnis ging an der geöffneten Schranke vorbei, welche sich hinter ihm sofort wieder schloss. Als sich Leonard der Sicherheitskontrolle näherte, sah er, dass McGinnis auf der anderen Seite auf ihn wartete. Erleichtert, dass sein Freund in der Nähe geblieben war und ihm zu Hilfe eilen konnte, lehnte sich Leonard für den Netzhaut–Scan nach vorne. Als er den Piepton hörte, verharrte er kurz mit den Fingern über dem Tastenfeld. Er hatte plötzlich eine Idee. Er tippte blitzschnell fünf Zahlen ein. Ein lautes Summen signalisierte, dass der Code falsch war. Ach wirklich? Er tippte erneut wild auf das Tastenfeld ein. Summen . Und ein drittes Mal. Summen gefolgt von einem leisen piep, piep, piep.
    „Was zum Teufel hast du gemacht?“, brüllte McGinnis.
    „Ich… ähm… ich weiß nicht.“
    „Du bist total verkatert, oder?“
    Leonard zuckte verlegen mit den Schultern.
    McGinnis zog sein Handy aus der Tasche und starrte Leonard wütend an. „Halt den Ball heute mal etwas flacher“, sagte er. „Schließlich ist das Verhören ja eigentlich unser Job.“ Er grinste.
    „Hey Mitchell, du musst mir einen Gefallen tun. Tramer, die hohle Nuss, hat heute ziemlich verkrampfte Finger. Er hat letzte Nacht wohl zu viele Stunden damit zugebracht, sich an einem Bierglas festzuklammern. Er hat seinen Zugangscode falsch eingegeben.“ Er lachte und wartete einen Augenblick. „Kannst du es zurücksetzen? Okay. Okay. Alles klar. Danke.“
    McGinnes legte auf und lehnte sich zu Leonard vor. „Du bist mir was schuldig, Kumpel.“ Er lachte freudig. „Siehst du? So zahlt sich die ganze Arschkriecherei aus. Thomas McGinnis kann noch viele Schuldscheine einlösen. Bei ganz hohen Tieren.“ Er hielt inne. „Und bei Nieten wie dir.“
    „Sehr witzig. Was muss ich machen?“
    „Noch mal einen Netzhaut–Scan. Dann gib 1–2–3–4–5 ein. Sobald du drei Pieptöne hörst, gib deinen neuen Code ein. Noch mal drei Pieptöne und dann bestätigen. Danach solltest du durchkommen.“
    Leonard hielt einen Moment inne. Er musste sich einen Code ausdenken, den er sich auch merken konnte. Natalias Geburtstag. Der 17. September. Und sie wird dreizehn.
    „Komm schon, verdammt noch mal. Wir kommen noch zu spät.“ McGinnis sah auf seine Uhr. „Du hast uns gerade um unseren Kaffee gebracht. Mann, du bist mir echt was schuldig.“
    Leonard führte die Schritte wie angeordnet aus und die zuvor so unüberwindbare Schranke öffnete sich. Er lächelte triumphierend und ging hindurch.
    „Du machst mir langsam Angst, weißt du das?“, sagte McGinnis.
    Sie kamen in einen langen Korridor. Leonard bemerkte, dass sich in dem mindestens fünfundvierzig Meter langen Durchgang weder Türen noch Fenster befanden, und fragte sich, ob es wohl eine Art Brücke war, die das Hauptgebäude mit dem fensterlosen Gebäude auf der rechten Seite verband. Sie erreichten nun noch eine Sicherheitskontrolle.
    Wie soll man denn bitte mitten in einen Tunnel einbrechen?
    „Kannst du dich noch an deinen neuen Zugangscode erinnern?“, fragte McGinnis. „Schließlich ist es ja schon fast zwei Minuten her.“
    „Ha ha ha“, entgegnete Leonard trocken.
    McGinnis führte das übliche Ritual durch. Anschließend Leonard, der sich dabei schon fast wie ein alteingesessener Mitarbeiter vorkam.
    Auf der anderen Seite der Sicherheitsschranke befand sich eine Reihe von Aufzügen.
    McGinnis drückte auf den Knopf und fing an zu pfeifen. Einen Augenblick später schimpfte er: „Ich werd dich verfluchen, wenn meine koffeinentzugsbedingten Kopfschmerzen losgehen.“
    „Tut mir leid.“
    McGinnis klopfte Leonard auf die Schulter. „Wir haben ja alle mal einen schlechten Tag, aber denk dran—“
    „Ich weiß. Ich

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