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Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meira Pentermann
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schnell zur Krankenschwester gegangen.“ Er wedelte mit einem kleinen, gelben Zettel. „Ich habe mir nur einen frühzeitigen Dienstentlassungsschein geholt. Tut mir wirklich schrecklich leid, Sir, ich—“
    „Wovon reden Sie überhaupt?“ Leonard zeigte auf den Bildschirm. „Sie haben sich doch abgemeldet. Machen Sie mal eine Verschnaufpause. Offensichtlich wäre es wirklich besser, wenn sie nach Hause gehen.“
    Der Mann neigte den Kopf zur Seite und betrachtete den Bildschirm genau. „Ähm. Ich hätte schwören können…“
    Leonard versuchte, wie der strenge, hochrangige Vorgesetzte zu klingen, den seine Untergebenen gewohnt waren, und blieb distanziert. „Jetzt machen Sie, dass Sie hier fertig werden und gehen sie nach Hause.“
    Der Mann fragte noch nicht einmal nach dem Grund für Leonards Anwesenheit in der Wachstation. Stattdessen eilte er zum Computer, bemüht Leonard dabei nicht anzurempeln. Bevor er jedoch an sein Ziel kam, stolperte der Mann und verlor seinen Ausweis. Leonard nutzte die Gelegenheit, ging in die Hocke und griff hastig nach dem Ausweis.
    Mark Dickens, WLN.
    Leonard gab den Ausweis beiläufig zurück.
    Dickens Finger schwebten einen Augenblick über der Tastatur und dann begann er zu schreiben, während Leonard ihm heimlich zusah. Der Mann tippte nervös dickensms und dann ein Passwort ein, das wie linda0106 oder auch linda0409 aussah. Während der lila Bildschirm wieder aufging, sah er über seine Schulter.
    Leonard räusperte sich und wendete sich ab, um zu gehen. „Bis dann, Dickens.“ Er huschte eilig aus der Kabine. Während er die Stufen hinunterging, warf er einen Blick zur Seite und beobachtete, wie die Drohnen sich durch Menüseiten klickten, Notizen machten und konzentriert lauschten.
    Mark Dickens, WLN.
    Wächter–Lauscher–Netzwerk.

Kapitel Neun

     
    Kurz nachdem Leonard wieder an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt war, rief eine genervte, weibliche Stimme: „Pause.“
    Sofort hallte der Lärm dutzender Stühle, die von Arbeitstischen weggerollt wurden, durch den Plattformbereich. Leonard hatte kein Interesse an einer Pause, rüttelte daher stattdessen an seiner Maus und klickte auf den System –Verweis. Er gab WLN01 zusammen mit seinem eigenen Namen und Passwort ein.
    Sie sind für den Zugang zum WLN01 nicht autorisiert.
    Das schreckte ihn jedoch nicht ab und er versuchte eine andere Taktik. Standort, WLN01 . Benutzername, dickensms. Passwort, linda0106.
    Dieser Computer ist nicht für den Zugang zum WLN01 autorisiert. Bitte kehren Sie zu Ihrem Posten zurück und versuchen Sie es erneut.
    Verdammt! Leonard schlug mit der Hand auf den Tisch.
    „Pause.“ Die Frau näherte sich Leonards Arbeitskabine.
    „Ich brauche im Moment keine Pause.“ Leonard hatte der Frau immer noch den Rücken zugekehrt.
    „Sie müssen eine Pause machen.“
    „Dann mach ich sie später.“
    „Es ist Pflicht.“
    Leonard drehte sich im Stuhl um und starrte die Frau herablassend an. Ein altbackenes Kleid und wirres Haar; sie sah wie eine übel gelaunte Putzfrau aus. Leonard verdrehte die Augen. „Ich bin der Projektführer“, sagte er unverfroren.
    „Mir ist völlig egal, wer Sie sind. Gewerkschaftsregeln. Machen Sie eine Pause.“
    „Ich bin nicht in der Gewerkschaft.“
    Sie lachte laut auf. „Der war gut, Sir.“ Dann wurde ihre Stimme sanfter und sie schien eine neue Richtung einzuschlagen – sie wollte ihn mit Freundlichkeit dazu bringen, ihrer Bitte nachzukommen. „Ich bitte Sie, lesen Sie einfach für fünfzehn Minuten ein Buch oder so was in der Art.“
    Leonard verschränkte die Arme. „Wenn’s sein muss.“
    „Vielen Dank.“ Sie drehte sich abrupt um und ging, während sie auf ihre Uhr schaute.
    Plötzlich fingen Dutzende Mitarbeiter an, zu flüstern und verließen in Zweier– oder Dreiergruppen ihre Arbeitsplätze.
    McGinnis blieb an Leonards Schreibtisch stehen. „Das war unterhaltsam“, sagte er leise lachend.
    Leonard sah ihn zornig an.
    „Ich hol dir ’nen Kaffee“, murmelte McGinnis vor sich hin und ging.
    Leonard seufzte. Der leuchtende Monitor sah ihn flehend an. Was zum Teufel soll ich fünfzehn Minuten lang machen?
    Er legte seinen Aktenkoffer auf den Tisch und nahm das Wissenschaftsmagazin heraus; eines der wenigen Dinge in seinem spärlich gefüllten Koffer. Er blätterte mit möglichst viel Elan durch die Zeitschrift. Als er merkte, dass ihn dieser kleine Wutanfall nicht befriedigte, sah er auf die Titelseite der Zeitschrift. Januar? Mein Gott,

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