Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)
an.
„Ich habe den Wagen entsprechend Max’ Anweisungen immer irgendwo in der Stadt geparkt. Sein Partner erledigte dann immer die Umbauarbeiten in seiner Garage. Er holte den Wagen ab und brachte ihn jedes Mal wieder an einen anderen Ort zurück. Leider mussten wir dafür einige Benzinrationen aufbrauchen, daher war alles ziemlich knapp bemessen in letzter Zeit. Für gewöhnlich waren die Treffpunkte nicht so weit draußen, aber ich schlich mich oft spät abends aus dem Haus und fuhr dann mit dem Bus wieder zurück, oder ich ging zu Fuß.“
„Ein ziemliches Unterfangen.“
„Und teuer. Solche Fünf–Gallonen–Kanister sind nicht leicht zu bekommen. Glücklicherweise ist Campen an den Stauseen noch erlaubt, sodass man alles Nötige an Ausrüstung noch bekommen kann.“
„Warum brauchen wir verzehrfertige Mahlzeiten und Wasseraufbereitungspakete, wenn wir nur bis nach Grand Junction fahren?“
„Ich weiß nicht, wie der Zustand der Straßen ist. Und es kann gut sein, dass wir irgendwann das Auto stehen lassen müssen. Mit den Vorräten hätten wir die Möglichkeit, zu Fuß weiterzureisen und vielleicht einen sicheren Unterschlupf zu finden.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Wir können nicht wissen, was uns erwartet.“
„Kennst du sichere Häuser, in denen wir Unterschlupf finden könnten?“
„Max meint, es gebe da noch einen Kerl in der Nähe von Lake Dillon, aber er hat sich schon länger nicht mehr mit ihm unterhalten.“
„Wie soll er sich auch mit ihm unterhalten können?“
„Über eine GR–Webseite oder Ähnliches… Ich weiß es nicht.“
Leonard runzelte die Stirn. „Also ist das alles ein reines Glücksspiel.“ Er zeigte auf den Kofferraum und die Vorräte.
Sie nickte und sah dabei traurig aus. „Ich liege nachts oft wach da und denke über die ganze Geschichte nach. Ich habe alle Vorbereitungen getroffen, aber ich war mir nie sicher, ob ich es auch wirklich irgendwann durchziehen würde.“
„Und du kamst nie auf die Idee, mir das alles zu erzählen?“
„Ich wusste nicht, woran ich bei dir bin.“
„Du hattest nicht vor, mich mitzunehmen.“ Die zwei Schlafsäcke und zwei Rucksäcke machten dies mehr als nur deutlich.
Alina sah zu Boden. Sie schwieg für einen Moment. Dann schüttelte sie langsam den Kopf. „Auch Garrett nicht. Natalia war die Einzige, der ich vertraute.“
„Aha. Aber mich ein selbstsüchtiges Arschloch nennen, weil ich eine neue Zeitmaschine bauen wollte?“
Sie hob den Kopf. „Du wusstest genau, wo ich stand, als du mir von dieser Idee erzählt hast.“ Sie zeigte auf den Wagen. „Während ich für all das hier hart gearbeitet und alles aufs Spiel gesetzt hatte, hatte ich keine Ahnung, ob du mich nicht einfach verpfeifen würdest und alles nach hinten losgehen würde.“
„Tut mir leid. Ich hätte wahrscheinlich das Gleiche getan, wenn ich den Verdacht gehabt hätte, dass du eine Informantin bist.“
„Danke schön.“
„Aber die Frage ist jetzt, ob es das wert ist. Ist es das Risiko wert?“
„Ich war noch nie so entschlossen wie jetzt“, sagte sie mit Dringlichkeit in ihrer Stimme. „Wir müssen Natalia hier irgendwie vor Freitag rausbekommen.“
Leonard ließ die Ereignisse des Abends noch mal Revue passieren. Garrett, wie er im Hinterhof herumschrie. Natalia, wie sie weinend auf dem Boden saß, Tampons, die überall verstreut herumlagen. Die Vorstellung, ein dreizehnjähriges Mädchen zur Fortpflanzung zu zwingen. Ihm wurde schwindelig und er hielt sich am Wagen fest. „Du hast recht. Es ist an der Zeit.“
„Natalias Geburtstag ist am Donnerstag. Ihr habt beide den Tag freibekommen.“
„Und was ist mit dir?“
„Ich melde mich krank. Wir brechen Donnerstagmorgen auf.“
„Ist das wirklich so einfach? Wie kommen wir dann aus Idaho Springs raus?“
Alinas Augen leuchteten auf. „Darüber habe ich schon nachgedacht.“ Sorgfältig setzte sie die Trennwände wieder im Kofferraum ein. „Berichtigung, Max hat darüber nachgedacht. Ich zeige es dir.“ Sie knallte den Kofferraum zu und nahm Leonard bei der Hand.
Oben angekommen ging sie im Flur auf die Dachbodenluke an der Decke zu. Als ihm bewusst wurde, dass sie vorhatte, die Schachtel vom Dachboden zu holen, legte Leonard seinen Finger auf die Lippen und führte sie ins Schlafzimmer.
„Aber—“, protestierte sie.
Er nickte und hielt weiterhin den Finger an die Lippen. Er nahm an, dass Alina sofort an die Decke gehen würde, wenn sie sah, dass er die Schachtel
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