Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)
verlangte. Alles, was er brauchte, war Alinas falscher Ausweis und ein Gesprächsfetzen, um Max, auch bekannt als Stewart Shinskey, mit der ganzen Angelegenheit in Verbindung zu bringen. Leonard könnte Donnerstagmorgen, wenn das WLN wieder zuhören würde, einmal nicht den Fernseher einschalten und ein paar Suggestivfragen stellen. Es wäre eigentlich wirklich sehr einfach.
In dem Moment, als ihm diese Gedanken in den Sinn kamen, durchfuhr ihn eine Welle des Abscheus. Was für ein Mann würde seine Frau der Klinik ausliefern, um sich selbst zu retten? War er wirklich so eifersüchtig auf Max? Dachte er wirklich, dass Alina eine Affäre hatte, und wollte er sie dafür bestrafen? Nein. Der wahre Grund war viel verstörender.
Carlyle hatte gewonnen. Er hatte Leonard dazu gebracht, in Erwägung zu ziehen, ein Informant zu werden und damit Schmerz und Leid von sich selbst abzuwenden. Sogar noch beunruhigender war der Gedanke, dass diese Art von Verrat nicht nur seine Frau betreffen würde, sondern auch seine Tochter mit in den Abgrund reißen würde. Natalia würde wahrscheinlich nicht in die Klinik eingewiesen werden, aber sie würde dazu gezwungen werden, am Zuchtprogramm der Jugendbrigade teilzunehmen und wahrscheinlich in einer KASEDU–Wohnsiedlung landen. Was für ein Mann? Er sah beschämt und verwirrt weg und versuchte sich zu sammeln.
„Alles in Ordnung, Schatz?“
„Oh… ja“, antwortete er und schüttelte fast unmerklich seine Schultern. In einem vergeblichen Versuch, sein Gewissen zu erleichtern, lenkte er die Unterhaltung in eine andere Richtung. „Etwas Schreckliches ist heute Morgen passiert. Sandy Little hat Selbstmord begangen. Ich kann es immer noch nicht fassen.“
Alina schrie beinahe auf. „Was?“
„Ich habe sie an ihrem Schreibtisch gefunden.“
Alinas saß ungläubig mit offenem Mund da. Dann klagte sie: „Mein Gott. Das ist alles meine Schuld.“
„Mom?“ Natalia sah erst ihren Vater und dann ihre Mutter an, sie war ganz offensichtlich verängstigt. Leonard berührte sie kurz an der Schulter und sah ihr in die Augen, sagte dabei jedoch nichts.
Alina starrte eine Minute lang auf den Boden und versuchte, mit dem Gedanken fertig zu werden, dass die junge Frau, die sie nur einen Tag zuvor gesehen hatte, nun tot war.
„Es ist nicht deine Schuld, Alina.“
Sie nickte.
„Wir müssen über das Experiment mit dem Ortungssender reden.“ Er nahm tief Luft. „Unser schlimmster Albtraum ist wahr geworden.“
„Kein Punkt? Vielleicht habe ich keinen Sender.“
„Du hast einen Punkt.“
„Was für ein Punkt?“, warf Natalia ein.
„Das verstehe ich nicht, Leonard. Ist er im Krankenhaus geblieben? Ich habe meine Handtasche auf dem Tresen gelassen.“
Er seufzte. „Er hat sich bewegt. Bis Fitzsimmons und weiter.“
„Aber ich habe den Ausweis versteckt.“
„Zuerst dachte ich, wir hätten es geschafft. Ich war überglücklich. Dein roter Punkt blieb erst an der Siebzehnten und Fitzsimmons stehen. Er blieb da eine ganze Weile.“
Alina legte ihren Kopf in die Hand. „Ein Arzt, den ich kannte, wollte mit mir plaudern. Ich brauchte ein paar Minuten, um ihn loszuwerden.“
„Diese paar Minuten waren ein extremes Wechselbad der Gefühle.“
„Was willst du damit sagen?“ Die Tränen, die ihr über die Wangen liefen, verrieten, dass sie es schon wusste; sie hatte bereits eine Vermutung. „Der Sender ist in meinem Körper“, sagte sie sanft. Es war keine Frage. Sie untersuchte ängstlich ihre Arme und knetete prüfend mit den Fingern an den weichen Stellen ihrer Handgelenke herum. „Wie können sie nur eine so riesige Verschwörung hinter unserem Rücken zustande bringen?“
„Mit Babys, ein Kinderspiel“, murmelte Leonard.
„Was?“
„Sie schnappen sich die Babys gleich nach der Geburt. Und implantieren ihnen dann Chips. Die neue Generation ist schon mit Sendern versehen und kann jederzeit geortet werden.“
„Und was ist mit dem Rest von uns?“
Leonard ging kurz in sich und überlegte. Das wäre sehr schwer. Einen Moment später überkam ihn ein Unheil verkündendes Gefühl der Verzweiflung, gekoppelt mit einem Gefühl der Befriedigung, da er des Rätsels Lösung gefunden hatte, und alles zusammen schickte einen Adrenalinstoß durch seinen Körper. Er musste beinahe lächeln.
„Was ist los?“, fragte Alina und versuchte, mit ihm Blickkontakt herzustellen.
„Die CARS–Tests. Jeder musste sich testen lassen. Du hast gesagt, sie haben
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