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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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Doch bevor er sich darüber den Kopf zerbrechen konnte, wirbelten wieder die blutroten Waben heran, so dass er den Schluss von Bedeutende Menschen verpasste. Aber schließlich, dachte ein Teil von ihm, als das Rot in Schwarz überging, konnte er Marsha
ja irgendwann mal fragen, wie die Geschichte ausgegangen war.
     
    »Mach die Augen auf, Mann. Gut so. Ist dir das Licht zu hell?«
    Es war zu hell, aber es blieb so. Weiß, weiß – ihm fiel wieder ein, wie sein Kopf explodiert war, vor Jahren, eine grellweiße Granate in dieser kühlen, windigen Wüstendunkelheit. Seine Augen waren offen, aber er konnte nicht sehen. Alles weiß.
    »Normalerweise würd ich dich ja in Ruhe lassen, in deinem Zustand, aber die Leute, die mich für das hier bezahlen, sagen, mach zu, also weck ich dich auf, obwohl ich noch gar nicht fertig bin. Du fragst dich, warum du nix sehen kannst, stimmt’s? Nur Helligkeit, das ist alles, was du siehst, ganz recht. Was wir hier haben, ist’n Neuralblocker. Unter uns, das Ding stammt ausm Sexshop, aber es gibt keinen Grund, in der Medizin darauf zu verzichten, wenn man’s braucht. Und jetzt brauchen wir’s, denn du hast noch höllische Schmerzen. Außerdem sorgt es dafür, dass du stillhältst, während ich weitermache.« Die Stimme war ruhig und methodisch. »Also, das große Problem bei dir war der Rücken, aber den hab ich mit einem Hefter und jeder Menge Klammern in Ordnung gebracht. Plastische Arbeit ist hier nicht drin, verstehst du, aber deine Süßen werden echt abfahren auf die Narben. Jetzt säubere ich noch eben die Wunde an der Brust, klammere die noch zu, und das war’s dann auch schon. Und dass du mir in den nächsten Tagen hübsch langsam machst, sonst springt dir’ne Klammer raus. Ich hab dir’n paar Derms verpasst. Kriegst gleich noch’n paar dazu. In der Zwischenzeit schalt ich dein Sensorium wieder auf Audio und volle Sicht, damit du so langsam hier ankommst. Stör dich nicht an dem Blut – ist alles deins, aber jetzt kommt keins mehr …«
    Das Weiß gerann zu einer grauen Wolke, Gegenstände nahmen Form an – ganz allmählich, wie bei einer Dust-Vision. Er
klebte an einer gepolsterten Decke und blickte hinab auf eine blutverschmierte weiße Puppe, die überhaupt keinen Kopf hatte; stattdessen schien eine blaugrüne OP-Lampe auf ihren Schultern zu sitzen. Ein Schwarzer in einem besudelten grünen Kittel sprühte etwas Gelbes in einen flachen Schnitt, der vom Beckenknochen diagonal bis fast zur linken Brustwarze verlief. Er wusste, dass der Mann ein Schwarzer war, weil sein Kopf kahl war, kahl und glattrasiert und schweißbedeckt. Seine Hände steckten in engen grünen Handschuhen, so dass Bobby von ihm nur den glänzenden Schädel sehen konnte. Pinkfarbene und blaue Dermadisks klebten links und rechts am Hals der Puppe. Die Wundränder schienen mit einer Flüssigkeit bepinselt zu sein, die an Schokoladensirup erinnerte, und das gelbe Spray entwich zischend aus der kleinen silbernen Dose.
    Dann erfasste Bobby die Situation, und das Universum verkehrte sich auf eine Weise, dass ihm fast schlecht wurde. Die Lampe hing von der Decke, die Decke war verspiegelt, und die Puppe war er. Ihm war, als würde er an einem langen elastischen Band durch die roten Waben in das Traumzimmer zurückschnellen, in dem die schwarze Frau für ihre Kinder Pizza zerteilte. Das Wassermesser mit den mikroskopisch kleinen Sandschwebeteilchen im nadelfeinen Hochgeschwindigkeitsstrahl machte keinerlei Geräusch. Das Ding war dazu gedacht, Glas und Metallegierungen durchzuschneiden, wie Bobby wusste, nicht jedoch eine Pizza aus der Mikrowelle, und er wollte ihr eine Warnung zurufen, weil er fürchtete, sie würde sich den Daumen abtrennen, ohne es zu merken.
    Aber er konnte nicht rufen, konnte sich nicht rühren und war außerstande, auch nur einen Laut von sich zu geben. Liebevoll teilte sie das letzte Stück, trat auf den Fußschalter, der das Messer abstellte, legte die zerteilte Pizza auf eine schlichte,
weiße Keramikplatte, wandte sich dann zu dem blauen Rechteck hinter dem Balkon um, wo ihre Kinder waren … Nein, sagte sich Bobby tief in seinem Innern, das kann nicht sein. Denn was dort kreiste und zu ihr herabtauchte, waren keine drachenfliegenden Kinder, sondern Babies, die monströsen Babies aus Marshas Traum, die zerfetzten Flügel ein Gewirr aus rosa Knochen, Metall, zusammengeflickten, straffen Membranen aus Plastikschnipseln … Er sah ihre Zähne …
    »Oha«, sagte der Schwarze, »hab

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