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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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Veränderungen haben sie auch nicht einkalkuliert. So sind wir also zu diesem Raum gekommen. Trotzdem kann man in den Projects noch erstklassige Garnelen kriegen … und guten Wels auch.«
    Sie waren an der Wand angekommen. Sie bestand aus Glas, von dem Kondenswasser perlte. Ein paar Zentimeter dahinter
schloss sich eine weitere Wand an, die aussah, als bestünde sie aus rostigem Stahlblech. Beauvoir angelte eine Art Schlüssel aus einer Tasche seines Kammgarngewands und steckte ihn in eine Öffnung an einer blanken Metallstrebe, die zwei Fensterflächen unterteilte. Irgendwo in der Nähe lief winselnd ein Motor an; der breite Stahlblechladen wurde hochgerollt und klappte dabei nach außen, bis er ruckend verschwand und einen Ausblick gewährte, von dem Bobby oft geträumt hatte.
    Sie waren offenbar ziemlich weit oben, fast unterm Dach der Projects, denn Big Playground war so klein, dass Bobby es mit zwei Händen abdecken konnte. Die Wohnhäuser von Barrytown sahen wie ein grauweißer Fungus aus, der sich bis zum Horizont erstreckte. Es war schon fast dunkel, und hinter der letzten Häuserzeile konnte er einen rosigen Lichtschein ausmachen.
    »Das ist das Sprawl da drüben, stimmt’s? Das Rosarote.«
    »Ja, aber je näher man kommt, desto unschöner wird’s. Möchtest du gern da hin, Bobby? Ist Count Zero bereit, sich ins Sprawl zu stürzen?«
    »O ja.« Bobby presste die Handflächen gegen die schwitzende Scheibe. »Du hast ja keine Ahnung …« Die Wirkung des Derms war jetzt vollständig abgeklungen, und sein Rücken und seine Brust schmerzten bestialisch.

14
    Nachtflug
    Als die Nacht anbrach, stand Turner endlich wieder unter Strom.
    Es kam ihm vor, als wäre es lange her seit dem letzten Mal, aber als er es spürte, war es, als wäre es immer so gewesen. Der Strom, das war jenes übermenschliche Synchrongefühl,
das durch Stimulanzien nur annähernd zu erreichen war. In diese Verfassung konnte er sich nur am Schauplatz einer wichtigen Abwerbeaktion bringen, bei der er das Sagen hatte, und dann auch nur in den letzten Stunden, bevor es richtig losging.
    Aber es war lange her; in Neu-Delhi hatte er lediglich mögliche Fluchtwege für einen leitenden Angestellten sondiert, der sich nicht ganz sicher war, ob er wirklich einen Tapetenwechsel wollte. Wenn er an jenem Abend in der Chandni Chauk unter Strom gestanden hätte, wäre er vielleicht imstande gewesen, dem Ding auszuweichen. Wahrscheinlich nicht, aber der Strom hätte ihm den nötigen Saft gegeben, es zu versuchen.
    Nun veranlasste er ihn, die Faktoren zusammenzutragen, mit denen er sich hier auf der Basis herumschlagen musste. Er wägte Bündel kleiner Probleme gegen einzelne große Probleme ab. Bislang gab es nur eine Menge kleiner Probleme, aber keinen richtigen Hammer. Lynch und Webber gerieten sich zusehends in die Haare, also hatte er es so eingerichtet, dass sie sich nicht über den Weg liefen. Seine von Anfang an instinktive Überzeugung, dass Lynch Conroys Spitzel war, hatte sich noch verstärkt. Der Strom schärfte den Instinkt; es hatte etwas von Hexerei. Nathan kam mit den technisch simplen schwedischen Handwärmern nicht zurecht, alles, was ohne elektronische Schaltung auskam, war ihm suspekt. Turner beauftragte Lynch damit, die Handwärmer herzurichten, mit Brennstoff zu füllen und zündfertig zu machen, und ließ sie von Nathan jeweils paarweise hinaustragen und entlang der beiden orangenen Bänder im Meterabstand ein kleines Stück in den Boden eingraben.
    Das Mikrosoft, das Conroy geschickt hatte, füllte seinen Kopf mit einer eigenen Welt sich ständig verändernder Faktoren: Fluggeschwindigkeit, Höhe, Lage, Anstellwinkel, g-Kräfte,
Steuerkurse. Die Bordwaffeninformationen waren eine ewige unterschwellige Litanei aus Zielkoordinaten, ballistischen Kurven, Suchkreisen, Reichweiten, Auslösersignalen und Munitionszählungen. Conroy hatte eine simple Nachricht drangehängt, in der er ihm die ungefähre Ankunftszeit der Maschine mitteilte und bestätigte, dass ein Platz für einen Passagier vorgesehen war.
    Turner fragte sich, was Mitchell wohl gerade tat und wie ihm zumute sein mochte. Die Anlagen von Maas Biolabs North America waren in einem ausgehöhlten Tafelberg untergebracht, der aus der Wüste aufragte. Im Biosoft-Dossier hatte Turner den abendlichen Berg mit den erleuchteten Fenstern in der steilen Felswand gesehen, der sich wie das Ruderhaus eines riesigen Schiffes über die hochgereckten Arme eines Meeres von Saguaro-Kakteen

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