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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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Finne geheimnisvoll. »Tja, Sachen gibt’s draußen. Geister, Stimmen. Warum auch nicht? In den Ozeanen gab’s Meerjungfrauen und all so’nen Scheiß, und wir haben ein Silizium-Meer, nicht? Sicher, ist nur’ne künstlich erzeugte Halluzination, an der wir alle gemeinsam teilzunehmen beschlossen haben, der Cyberspace, aber jeder, der einsteckt, weiß verdammt gut, dass er ein ganzes Universum ist. Und mit jedem Jahr wird’s ein bisschen voller da drin …«
    »Wir«, sagte Lucas, »haben die Welt schon immer auf diese Weise gesehn.«
    »Ja«, sagte der Finne, »daher konntet ihr einfach euer Programm starten und den Leuten predigen, die Dinger, mit denen ihr eure Deals macht, wären die guten alten Buschgötter …«
    »Göttliche Reiter …«
    »Klar. Du glaubst da vielleicht dran. Aber ich bin alt genug und kann mich noch an die Zeit erinnern, wo’s nicht so war.
Wenn du vor zehn Jahren in den Gentleman Loser marschiert wärst und versucht hättest, einem der Top-Jockeys weiszumachen, du hättest mit Geistern in der Matrix gesprochen, hätten sie dich für verrückt gehalten.«
    »Für’nen Wilson«, warf Bobby ein, der sich ausgeschlossen fühlte und sich nicht mehr so wichtig vorkam.
    Der Finne sah ihn ausdruckslos an. »Was?«
    »Für’nen Wilson.’nen Versager. Na ja, das ist Hotdogger-Slang …«
    Der Finne sah ihn sehr eigenartig an. »Meine Güte. Das ist euer Ausdruck dafür, hm? Herrgott, ich kenn den Mann.«
    »Wen?«
    »Bodine Wilson. Der Erste, den ich kenne, der’s zu’ner Redewendung gebracht hat.«
    »War er wirklich so blöd?«, fragte Bobby und bereute es sofort.
    »Blöd? Nee, Mann, der war schlau wie’n Fuchs.« Der Finne drückte seine Zigarette in einem gesprungenen Campari-Keramikascher aus. »War einfach’n totaler Verlierer, das ist alles. Hat mal mit der Dixie-Flatline gearbeitet …« Die blutunterlaufenen gelben Augen bekamen einen entrückten Ausdruck.
    »Finne«, sagte Lucas, »woher hast du den Eisbrecher, den du uns verkauft hast?«
    Der Finne sah ihn düster an. »Ich bin jetzt vierzig Jahre im Geschäft, Lucas. Weißt du, wie oft mir diese Frage schon gestellt worden ist? Weißt du, wie oft ich schon tot wäre, wenn ich sie beantwortet hätte?«
    Lucas nickte. »Geb ich zu. Aber du solltest auch was zugeben.« Er richtete den Zahnstocher auf den Finnen, als wollte er ihn damit aufspießen. »In Wirklichkeit hockst du nämlich nur deshalb hier und quasselst so rum, weil du glaubst, die drei kalten Brüder da oben hätten was mit dem Eisbrecher zu tun, den du uns verkauft hast. Und du hast aufgehorcht, als
Bobby erzählt hat, dass die Wohnung seiner Mutter in die Luft gejagt wurde, stimmt’s?«
    Der Finne zeigte Zähne. »Kann sein.«
    »Jemand hat dich auf dem Kieker, Finne. Die drei toten Ninjas da oben kosten jemand’ne Stange Geld. Wenn sie nicht zurückkommen, wird dieser jemand noch entschlossener sein, Finne.«
    Die blutunterlaufenen gelben Augen blinzelten. »Sie hatten alles dabei, was man braucht, um jemand auszuknipsen«, sagte er, »aber einer von denen hatte auch noch was anderes dabei. Sachen, mit denen man Leute zum Reden bringt.« Seine nikotinfleckigen Finger, bräunlich wie Schabenflügel, kamen nach oben und massierten bedächtig die schmale Oberlippe. »Ich hab’s von Wigan Ludgate«, sagte er.
    »Nie was von dem gehört«, erklärte Lucas.
    »Verrücktes kleines Arschloch«, sagte der Finne. »Ist mal’n Cowboy gewesen.«
     
    Es war so (begann der Finne, und Bobby fand das alles unheimlich spannend, noch spannender als die Sachen, die Beauvoir und Lucas erzählten), Wigan Ludgate hatte fünf Jahre als Top-Jockey hinter sich, was eine anständige Leistung ist für einen Cyberspace-Cowboy. Nach fünf Jahren ist ein Cowboy entweder reich oder hirntot, oder aber er finanziert einen Stall von Nachwuchstalenten und sattelt voll auf Manager um. Wig war in seinem jugendlichen Überschwang und im Hochgefühl des Ruhms losgestürmt und auf eine ausgedehnte Reise durch eher spärlich besetzte Sektoren der Matrix gegangen, die jene geographischen Gebiete repräsentierten, die einst als Dritte Welt bekannt gewesen waren.
    Silizium nutzt sich nicht ab; Mikrochips sind praktisch unsterblich. Darüber war sich Wig im Klaren. Wie jedes andere Kind seines Alters wusste er jedoch, dass Silizium veraltete ,
und das war viel schlimmer. Mit dieser bitteren Tatsache fand Wig sich ab, wie man sich mit dem Tod oder dem Finanzamt abfindet, und so machte er sich auch mehr

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