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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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nachging. Little Bird hatte in einem Eisenkübel Feuer gemacht und schlief, darum gekauert wie ein Hund. »He«, sagte Slick und stieß den Jungen mit dem Stiefel an, »steh auf. Wir haben Probleme.«
    »Verdammte Saft is’ weg«, murmelte Little Bird und setzte sich in seinem speckigen Nylonschlafsack auf, der exakt denselben Farbton wie der Boden von Factory angenommen hatte.
    »Hab ich auch schon gemerkt. Das ist Problem Nummer eins. Nummer zwei ist, dass wir einen Laster oder ein Hover oder so brauchen. Wir müssen den Kerl wegschaffen. Es haut nicht hin mit Gentry.«
    »Aber Gentry is’ der Einzige, der das mit dem Strom hinkriegt.« Little Bird rappelte sich fröstelnd hoch.
    »Gentry pennt. Wer hat’nen Laster?«
    »Marvie und die«, antwortete Little Bird und bekam einen heftigen Hustenanfall.
    »Nimm Gentrys Bike. Bring’s auf dem Laster wieder mit. Jetzt gleich!«
    Little Bird erholte sich von seinem Husten. »Is’ das dein Ernst?«
    »Du kannst doch damit fahren, oder?«
    »Na sicher, aber Gentry, der …«
    »Das lass mal meine Sorge sein. Weißt du, wo er den Zweitschlüssel hat?«
    »Äh, ja«, antwortete Little Bird schüchtern. »Sag mal«, erkundigte er sich vorsichtig, »was is’, wenn Marvie und die mir den Laster nich geben wollen?«

    »Gib ihnen das«, meinte Slick und zog den Beutel mit dem Stoff aus der Jackentasche. Cherry hatte ihn an sich genommen, nachdem sie Gentry den Kopf verbunden hatte. »Und gib ihnen alles , klar? Ich werd sie nämlich hinterher danach fragen.«
     
    Cherrys Piepser ging los, als sie, dicht beieinander auf der Bettkante kauernd, in Slicks Zimmer Kaffee tranken. Er hatte ihr alles erzählt, was er über Korsakov wusste, weil sie danach gefragt hatte. Er hatte eigentlich noch keinem Menschen davon erzählt, und es war seltsam, wie wenig er darüber wusste. Er erzählte ihr von früheren Rückfällen und versuchte ihr zu erklären, wie das System im Knast funktionierte. Der Trick dabei war, dass man das Langzeitgedächtnis bis zu dem Moment behielt, wo sie einen auf das Zeug setzten. Auf diese Weise konnten sie einen zu etwas anlernen, bevor man die eigentliche Strafe absaß, ohne dass man das Gelernte dabei vergaß. Meistens machte man Sachen, die auch Roboter machen konnten. Ihm hatten sie beigebracht, winzige Zahnräderwerke zu montieren. Als er es schaffte, innerhalb von fünf Minuten eins zusammenzubauen, war es so weit.
    »Und sonst haben sie nichts gemacht?«, fragte sie.
    »Nur die Zahnräderwerke.«
    »Nein, ich meine so was wie Hirnsperren.«
    Er sah sie an. Die wunde Stelle an ihrer Lippe war fast verheilt. »Wenn sie so was machen, dann sagen sie’s einem nicht«, erklärte er.
    Dann ging in einer ihrer Jacken der Piepser los.
    »Da stimmt was nicht«, sagte sie und sprang auf.
     
    Sie sahen Gentry mit etwas Schwarzem in den Händen an der Trage knien. Cherry entriss ihm das Ding, bevor er sich rühren konnte. Er blieb, wo er war, und schaute blinzelnd zu ihr hoch.

    »Du bist ja wirklich’ne harte Nuss, Mann.« Sie reichte Slick das schwarze Ding. Eine Retinalkamera.
    »Wir müssen rauskriegen, wer er ist«, sagte Gentry. Seine Stimme war belegt von den Sedativa, die Cherry ihm verabreicht hatte, aber Slick spürte, dass er der Schwelle zum Wahnsinn nicht mehr ganz so nah war.
    »Ach was«, sagte sie. »Du weißt doch nicht mal, ob das die Augen sind, die er noch vor einem Jahr gehabt hat.«
    Gentry berührte den Verband an seiner Schläfe. »Du hast es auch gesehen, nicht?«
    »Ja«, sagte Cherry. »Er hat’s abgeschaltet.«
    »Das war der Schock«, meinte Gentry. »Ich hätte nicht gedacht … Es war eigentlich völlig ungefährlich. Ich war nicht darauf gefasst …«
    »Du warst total weg vom Fenster«, sagte Cherry.
    Gentry richtete sich schwankend auf.
    »Er verschwindet von hier«, sagte Slick. »Ich hab Bird losgeschickt, soll sich’nen Laster borgen. Mir gefällt dieser Scheiß absolut nicht.«
    Cherry sah ihn groß an. »Und wohin soll er verschwinden? Ich muss mit. Das ist mein Job.«
    »Ich kenn da was«, log Slick. »Wir haben keinen Strom mehr, Gentry.«
    »Du kannst ihn nicht wegbringen«, sagte Gentry.
    »Und ob.«
    »Nein.« Gentry schwankte leicht. »Er bleibt. Die Überbrückung steht. Ich stör ihn nicht mehr. Cherry kann hierbleiben.«
    »Du wirst mir da schon einiges erklären müssen, Gentry«, sagte Slick.
    »Zuallererst mal«, begann Gentry und deutete auf das Ding über dem Kopf des Count, »ist das da kein ›LF‹,

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