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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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näher und sah sich ihre Augen an. »Du brauchst Ruhe, Mona. Du bist erschöpft.«
    Am Griff des Schockers war ein gezackter Knopf. Drücken? Nach oben schieben? Nach unten?
    Gerald ging zu einer weißen Box mit Schubläden und nahm etwas heraus.
    »Hier«, sagte er und reckte ihr ein kleines, röhrenförmiges Ding mit einer Aufschrift an der Seite entgegen, »das wird dir helfen.« Sie spürte den kurzen, dosierten Sprühnebel kaum. Auf der Spraydose war ein schwarzer Fleck, den ihre Augen zu fixieren versuchten und der immer größer wurde …
     
    Sie erinnerte sich daran, wie der Alte ihr gezeigt hatte, auf welche Weise man einen Wels tötet. Der Wels hat ein Loch in der Schädeldecke, das mit Haut überzogen ist. Man nimmt etwas Starres, Dünnes, einen Draht, sogar eine Besenborste geht, und rein damit …
     
    Sie erinnerte sich an Cleveland: ein ganz normaler Tag, und sie saß vor der Arbeit bei Lanette rum und blätterte eine Illustrierte durch. Da sah sie dieses Bild von Angie, einer lächelnden Angie in einem Restaurant mit ein paar anderen Leuten, lauter schönen Menschen, die darüber hinaus eine Art Glanz hatten – nicht direkt, auf dem Foto, aber es war trotzdem da, man konnte ihn spüren. Schau, sagte
sie zu Lanette und zeigte ihr das Bild, die haben so’nen Glanz.
    Das ist das Geld, sagte Lanette.
     
    Das ist das Geld. Einfach rein damit.

20
    Hilton Swift
    Er kam allein und wie immer ohne Voranmeldung. Der Net-Helikopter senkte sich wie eine einsame Wespe herab und wirbelte Seetangfetzen über den feuchten Sand.
    Sie schaute vom rostigen Geländer aus zu, wie er heraussprang. Sein offenkundiger Eifer hatte etwas Jungenhaftes, fast schon Wichtigtuerisches. Er trug einen langen, offenen Mantel aus braunem Tweed, unter dem eine makellose, rotweiß gestreifte Hemdbrust zu sehen war. Seine dunkelblonden Haare und die Sense/Net-Krawatte flatterten im Rotorwind. Robin hatte Recht, fand sie: Er sah wirklich so aus, als würde er von seiner Mutter eingekleidet.
    Vielleicht war das Absicht, überlegte sie, als er den Strand heraufkam, vorgetäuschte Naivität. Sie erinnerte sich, dass Porphyre einmal behauptet hatte, Großunternehmen seien völlig unabhängig von den Menschen, aus denen sie bestünden. Das war Angie völlig offensichtlich erschienen, obwohl der Friseur darauf beharrte, sie habe den Kern seiner Aussage nicht kapiert. Swift war Sense/Nets wichtigster menschlicher Entscheidungsträger.
    Beim Gedanken an Porphyre musste sie lächeln; Swift, der das als Begrüßung auffasste, strahlte sie ebenfalls an.
     
    Er lud sie zum Lunch nach San Francisco ein; der Helikopter sei extrem schnell. Sie konterte, indem sie darauf bestand,
ihm eine Schweizer Tütensuppe zu machen und in der Mikrowelle einen Klotz Sauerteig-Roggenbrot aufzutauen.
    Während sie ihm beim Essen zusah, machte sie sich Gedanken über seine Sexualität. Obwohl er Ende dreißig war, vermittelte er irgendwie den Eindruck eines hochintelligenten Teenagers, bei dem die Pubertät ein bisschen spät eingesetzt hatte. Die Gerüchteküche hatte ihm über die Jahre jede erdenkliche sexuelle Neigung angedichtet, und auch ein paar, die nach Angies Meinung reine Phantasieprodukte waren. Angie hielt keine einzige davon für wahrscheinlich. Sie kannte ihn, seit sie bei Sense/Net war. Einer der führenden Leute in Tally Ishams Team, hatte er sich längst in den oberen Rängen des Produktionssektors etabliert, als sie dazustieß, und sofort berufliches Interesse an ihr entwickelt. Rückblickend glaubte sie, dass Legba dafür gesorgt hatte, dass sich ihre Wege kreuzten: Er war so offensichtlich auf dem Weg nach oben, obwohl sie – geblendet von der glitzernden, schnelllebigen Szene – das seinerzeit nicht erkannt hatte.
    Bobby mit seinem angeborenen Hass des Barrytowners auf Autoritätspersonen hatte ihn auf Anhieb unsympathisch gefunden, es im Wesentlichen jedoch fertiggebracht, seine Abneigung ihrer Karriere zuliebe zu verbergen. Die Abneigung hatte auf Gegenseitigkeit beruht, und Swift machte kein Hehl daraus, dass er ihre Trennung und Bobbys Abgang mit Erleichterung begrüßte.
    »Hilton«, sagte sie, als sie ihm eine Tasse Kräutertee einschenkte, den er dem Kaffee vorzog, »was hält Robin denn so lange in London auf?«
    Er hob den Blick von der dampfenden Tasse. »Was Persönliches, nehme ich an. Vielleicht hat er einen neuen Freund.« Für Hilton war Bobby immer Angies Freund gewesen. Robins Freunde waren in der Regel jung, männlich und

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