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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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sondern ein Aleph .«

19
    Unterm Messer
    Rückkehr ins Hotel, im Todesmarsch des Wiz-Crashs. Hinter Prior her ins Foyer, wo schon japanische Touristen auf den Beinen waren und sich um gelangweilt dreinschauende Reiseleiter scharten. Immer einen Fuß, einen Fuß, einen Fuß nach dem anderen. Ihr Kopf war jetzt so schwer, als hätte jemand ein Loch in die Schädeldecke getrieben und ein halbes Pfund stumpfes Blei hineingegossen, und die Zähne fühlten sich zu groß an, als gehörten sie jemand anderem. Sie ließ sich an die Wand des Aufzugs sinken, als die zusätzliche Schwerkraft sie niederdrückte.
    »Wo ist Eddy?«
    »Eddy ist weg, Mona.«
    Sie riss die Augen auf und schaute ihn an. Das Lächeln war wieder da. Mistkerl. »Was?«
    »Eddy ist abgefunden worden. Entschädigt. Ist mit einem hübschen Sümmchen auf dem Konto unterwegs nach Macao. Nette kleine Vergnügungsreise ins Spielerparadies.«
    »Entschädigt?«
    »Für seine Investitionen. In dich. Für seinen Zeitaufwand.«
    »Seinen Zeitaufwand ?« Die Türen öffneten sich zu dem Flur mit dem blauen Teppichboden.
    Und Mona durchlief es kalt. Eddy war das Spielen verhasst.
    »Du arbeitest jetzt für uns, Mona. Wir wären gar nicht einverstanden, wenn du dich nochmal selbstständig machst.«
    Aber du warst es, dachte sie. Du hast mich gehen lassen. Und du hast gewusst, wo ich zu finden bin.
    Eddy ist nicht mehr da …
     
    Sie konnte sich nicht erinnern, eingeschlafen zu sein. Sie trug noch immer ihr Kleid und hatte sich Michaels Jacke wie eine Decke um die Schultern gezogen. Ohne den Kopf zu wenden,
konnte sie die Ecke des Gebäudes mit der Gebirgslandschaft sehen, aber das Dickhornschaf war nicht mehr dort.
    Die Angie-Stims waren noch in Plastik eingeschweißt. Sie griff sich wahllos eins raus, schlitzte die Folie mit dem Daumennagel auf, legte es ein und setzte die Troden auf. Sie überlegte nicht dabei; ihre Hände schienen zu wissen, was zu tun war, freundliche Tiere, die ihr kein Leid zufügen würden. Eine tippte auf PLAY, und sie entschwand in die Angie-Welt. Wie reinster Stoff. Langsames Saxophon, eine Fahrt in einer Limousine durch eine europäische Stadt. Wie die Straßen sich um sie drehten, um die fahrerlose Limousine, breite Alleen, morgendlich sauber und so gut wie leer, weicher Pelz um ihre Schultern, und weiter ging die Fahrt, auf einer schnurgeraden Straße durch flache Felder, die von perfekten, identischen Bäumen gesäumt wurde.
    Und runter von der Straße, Reifen auf gerechtem Kies, eine kurvige Auffahrt hinauf durch eine Parklandschaft, in der silbriger Tau glänzte, hier ein eherner Hirsch, dort ein feuchter weißer Marmortorso … Das Haus war riesig, alt, anders als jedes Haus, das sie bisher gesehen hatte, aber der Wagen fuhr daran vorbei, passierte mehrere kleinere Gebäude und gelangte schließlich an den Rand einer weiten, ebenen Wiese.
    Dort waren Drachenflieger festgemacht, zerbrechlich wirkende Gestelle aus Polykarbonat mit straff gespannten, halbtransparenten Membranen. Sie schaukelten sanft im Morgenwind. Robin Lanier wartete neben ihnen, der blendend aussehende, lässige Robin in einem derben schwarzen Pulli, Angies Partner in fast all ihren Stims.
    Und nun stieg sie aus dem Wagen, ging zur Wiese und lachte, als ihre Stöckelabsätze im Gras versanken. Und den restlichen Weg zu Robin mit den Schuhen in der Hand, lächelnd, in seine Arme und seinen Duft, seine Augen.

    Ein Wirbel, ein Reigen von Schnitten, die das Besteigen des Drachenfliegers auf der silbernen Induktionsschiene gerafft wiedergaben, und schon schnellten sie weich über die Wiese dahin, stiegen hoch, drehten in den Wind, der sie immer höher hinauftrug, bis das große Haus ein eckiger Kieselstein in einem breiten Streifen Grün war, durch den sich ein mattglänzender Flusslauf schlängelte …
    … und Priors Hand auf STOP, ein Essensgeruch vom Servierwagen neben dem Bett, bei dem sich ihr Magen umdrehte, der dumpfe, widerwärtige Schmerz des Wiz-Crashs in jedem Gelenk. »Iss«, sagte er. »Wir reisen bald ab.« Er hob den metallenen Deckel von einer der Servierplatten. »Club Sandwich«, sagte er. »Kaffee, Gebäck. Ärztliche Anordnung. Wenn du erst in der Klinik bist, gibt’s’ne Weile nichts mehr zu beißen.«
    »Klinik?«
    »Geralds Praxis. In Baltimore.«
    »Wozu?«
    »Gerald ist plastischer Chirurg. Nimmt ein paar Veränderungen an dir vor. Lässt sich später alles wieder rückgängig machen, wenn’s dir nicht gefällt, aber wir glauben, dass du mit

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