Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
Vom Netzwerk:
vor.
    Als Sally die letzten vierzehn Jahre ihres Lebens für den Finnen zusammenfasste, stellte sich Kumiko diese jüngere Frau als Bishonen- Heldin in einem traditionellen romantischen Video vor: elfenhaft, elegant und tödlich. Obwohl sie Mühe hatte, dem nüchternen Lebensbericht zu folgen, der mit ihr unbekannten Orten und Dingen gespickt war, konnte sie sich ohne Schwierigkeiten vorstellen, wie Sally die typischen Bishonen -Blitzsiege errang. Aber nein, dachte sie, als Sally wegwerfend von »einem schlechten Jahr in Hamburg« sprach und plötzlich Zorn in ihrer Stimme mitschwang – alter Zorn, das Jahr lag bereits eine Dekade zurück -, es war ein Fehler, diese Frau in japanische Kategorien einordnen zu wollen. Es gab keine Ronin , keine vagabundierenden Samurai; Sally und der Finne sprachen übers Geschäft.
    Ihr schlechtes Jahr in Hamburg begann, wie Kumiko ihren Worten entnahm, nachdem sie ein Vermögen gemacht und wieder verloren hatte. Sie hatte ihren Anteil zusammen mit ihrem Partner Case »da oben« erworben, an einem Ort, den der Finne Straylight genannt hatte, und sich dabei gleichzeitig eine Feindin gemacht.
    »Hamburg«, unterbrach der Finne. »Ich hab da so Geschichten über Hamburg gehört …«
    »Das Geld war futsch. Wie’s halt so geht, wenn man jung ist und das große Los gezogen hat. Kein Geld, das war für mich quasi die Rückkehr zur Normalität. Aber ich hatte noch was mit diesen Frankfurtern laufen. Bei denen hatte ich Schulden, und die sollte ich abarbeiten.«
    »Abarbeiten? Und wie?«

    »Ich sollte irgendwelche Leute ausknipsen.«
    »Und?«
    »Ich hab mich bei der erstbesten Gelegenheit abgesetzt. Dann bin ich nach London gegangen …«
    Vielleicht war Sally doch mal so was wie ein Ronin gewesen, dachte Kumiko, eine Art Samurai. In London hatte sie jedoch umgesattelt und war Geschäftsfrau geworden. Womit sie ihren Lebensunterhalt bestritten hatte, ließ sie offen, aber sie war mit der Zeit zur Geldgeberin geworden und hatte Kapital für diverse geschäftliche Unternehmungen zur Verfügung gestellt. (Was war »Kreditkosmetik« oder »Datenwäscherei«?)
    »Ja«, sagte der Finne, »hast dich gut rausgemacht. Hast Anteile an einem deutschen Spielkasino erworben.«
    »Aachen. Ich hatte’nen Sitz im Aufsichtsrat. Hab ich immer noch, wenn ich den richtigen Pass benutze.«
    »Sesshaft geworden?« Wieder das Lachen.
    »Klar.«
    »Ist nicht viel durchgedrungen bis zu mir.«
    »Ich hab das Kasino geleitet. Das war’s. Lief alles bestens.«
    »Du hast Preiskämpfe gemacht. ›Misty Steele‹, Federgewicht. Acht Kämpfe. Bei fünfen hab ich Wetten angenommen. Schlachtfeste, nur Frauen. Verboten.«
    »Hobby.«
    »Tolles Hobby. Ich hab die Videos gesehn.’ne kleine Birmanin hat dich aufgeschlitzt, live und in Farbe.«
    Kumiko musste an die lange Narbe denken.
    »Also hab ich damit aufgehört. Ist fünf Jahre her, und da war ich schon fünf Jahre zu alt.«
    »Du warst nicht schlecht, aber ›Misty Steele‹ … Du lieber Himmel.«
    »Jetzt hör aber auf. Den hab ich mir doch nicht ausgedacht.«

    »Klar. Jetzt erzähl mal von unserer Freundin oben. Wie ist sie an dich rangekommen?«
    »Swain. Roger Swain. Hat mir einen seiner Jungs ins Kasino geschickt,’nen Möchtegern-Macho namens Prior. Ist runde vier Wochen her.«
    »Swain der Schieber? London?«
    »Genau der. Prior hat mir’n Geschenk mitgebracht, rund einen Meter Computerausdruck.’ne Liste. Namen, Daten, Orte.«
    »Schlimm?«
    »Alles drauf. Sachen, die ich fast schon vergessen hatte.«
    »Der Straylight-Run auch?«
    »Alles. Also hab ich’nen Koffer gepackt und bin nach London geflogen, zu Swain. Tut ihm leid, ist nicht seine Schuld, aber er muss mir die Pistole auf die Brust setzen. Weil sie ihm auch auf die Brust gesetzt wird. Hat selber’nen Meter Computerausdruck, der ihm Kopfschmerzen macht.« Kumiko hörte Sallys Absätze übers Pflaster scharren.
    »Was will er?«
    »Ich soll jemand entführen.’ne Berühmtheit.«
    »Warum du?«
    »Mann, Finne, das will ich von dir wissen.«
    »Hat Swain gesagt, dass es 3Jane ist?«
    »Nein. Aber mein Konsolencowboy in London hat’s gesagt.«
    Kumiko taten die Knie weh.
    »Die Kleine. Wo haste die aufgegabelt?«
    »Sie ist bei Swain aufgetaucht. Yanaka wollte sie aus Tokio raushaben. Swain schuldet ihm Gin .«
    »Jedenfalls ist sie sauber, keine Implantate. Wie ich aus Tokio in letzter Zeit höre, hat Yanaka alle Hände voll zu tun …«
    Kumiko erschauerte im Dunkeln.
    »Und die

Weitere Kostenlose Bücher