Neuromancer-Trilogie
und tastete nach dem Schocker, den sie in einem Loch in der Schaumstoffmatratze versteckt hatte. Ihre Kleider hatte sie in einem weißen Plastiksack gefunden. Gerald kam alle paar Stunden mit frischen Derms, die sie jedes Mal ausdrückte, sobald er wieder weg war. Wenn sie Prior dazu bewegen konnte, sie zum Essen auszuführen, konnte sie im Restaurant vielleicht was unternehmen. Aber Prior biss nicht an.
In einem Restaurant konnte sie vielleicht sogar die Polizei holen, denn jetzt glaubte sie zu wissen, worum es bei dem Deal ging.
Snuff. Lanette hatte ihr mal davon erzählt. Dass es Männer gab, die dafür bezahlten, Girls so präparieren zu lassen, dass sie wie andere aussahen, um sie dann kaltzumachen. So jemand musste reich sein, steinreich. Nicht Prior, sondern jemand, für den er arbeitete. Lanette sagte, diese Typen ließen sich schon mal Girls so herrichten, dass sie wie ihre Ehefrauen aussehen. Mona hatte es seinerzeit nicht recht glauben wollen; manchmal erzählte Lanette Gruselstories, weil es Spaß machte, sich zu gruseln, wenn man in Sicherheit war, und außerdem hatte Lanette viele Stories über perverse Sachen auf Lager. Sie sagte, Schlipse seien die Perversesten, die Oberschlipse in den Chefetagen der Multis, weil die es sich nicht leisten könnten, im Beruf die Kontrolle zu verlieren. Aber privat
könnten sie sich’s leisten, sie auf jede beliebige Art und Weise zu verlieren, sagte Lanette. Warum sollte es also nicht irgendwo einen Oberschlips geben, der Angie auf diese Weise haben wollte? Gab ja’ne Menge Girls, die an sich rumschnipseln ließen, um wie sie auszusehen, obwohl es meist jämmerlich in die Hose ging. Möchtegern-Angies. Mona hatte noch keine gesehen, die Angie so weit ähnelte, dass sich ein interessierter Fan hätte täuschen lassen. Aber vielleicht gab’s einen Typ, der das alles bezahlte, nur um eine zu kriegen, die wie Angie aussah. Wie auch immer, wenn es nicht Snuff war, was dann?
Prior knöpfte gerade sein blaues Hemd zu. Er kam ans Bett und zog die Decke weg, um sich ihre Brüste anzusehen. Als würde er ein Auto oder so was begutachten.
Sie riss die Decke wieder hoch.
»Ich besorg ein paar Krabben.« Er zog sein Jackett über und ging hinaus. Sie hörte, wie er etwas zu Gerald sagte.
Gerald steckte den Kopf herein. »Wie geht’s, Mona?«
»Ich hab Hunger.«
»Fühlst du dich wohl?«
»Ja …«
Als sie wieder allein war, drehte sie sich zur Seite und betrachtete ihr Gesicht, Angies Gesicht, in der Spiegelwand. Die Blutergüsse waren fast verschwunden. Gerald hatte ihr irgendwelche Dinger ins Gesicht geklebt, winzige Elektroden oder so, und sie an einen Apparat gehängt. Damit würde es schnell abheilen, meinte er.
Mittlerweile machte ihr Herz beim Anblick von Angies Gesicht im Spiegel keinen Satz mehr. Die Zähne waren ganz nett; die würde sie auf alle Fälle behalten. Was den Rest betraf, war sie sich nicht sicher, noch nicht.
Vielleicht sollte sie jetzt einfach aufstehen, sich anziehen und gehen. Falls Gerald sie aufzuhalten versuchte, konnte sie
von dem Schocker Gebrauch machen. Dann fiel ihr wieder ein, wie Prior bei Michael aufgetaucht war, als hätte er sie die ganze Nacht beobachten und beschatten lassen. Vielleicht stand auch jetzt ein Beschatter draußen. Geralds Praxis schien keine Fenster zu haben, jedenfalls keine richtigen, so dass ihr nichts anderes übrigbleiben würde, als zur Tür hinauszugehen.
Und allmählich verlangte es sie heftig nach ihrem Wiz; doch Gerald würde es merken, wenn sie auch nur eine winzige Dosis nahm. Sie wusste, dass ihr Besteck in der Tasche unterm Bett war. Wenn sie was einwarf, dachte sie, dann würde sie vielleicht irgendwas tun. Aber womöglich nicht das Richtige. Sie musste zugeben, dass ihre Aktionen im Wiz-Rausch nicht immer der Hit waren, obwohl das Zeug einem das Gefühl gab, keinen Fehler machen zu können.
Jedenfalls hatte sie Hunger. Schade nur, dass es bei Gerald keine Musik gab oder so. Vielleicht sollte sie einfach auf die Krabben warten …
24
An einem einsamen Ort
Und da stand Gentry, dem die Gestalt aus den Augen leuchtete, hielt das Trodennetz ins gleitende Licht blanker Glühbirnen und erklärte Slick, warum es nicht anders ging, warum er sich die Troden aufsetzen und sich in den Input einklinken musste, den der graue Kasten der reglosen Gestalt auf der Trage einspeiste.
Slick schüttelte den Kopf; er dachte daran, wie er nach Dog Solitude gekommen war. Und Gentry redete schneller auf ihn ein,
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