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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gibson
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den abgebrochenen Fingernägeln. Schmiere drang ein und weichte sie auf, so dass sie leicht brachen.
    Er kam sich allmählich blöd vor, wie er so dastand. Vielleicht wurde er vom Haus aus beobachtet. »Scheiße«, sagte er und ging den breiten, gepflasterten Weg hinauf, wobei er automatisch in den schmissigen Gang verfiel, den er bei den Deacon Blues gelernt hatte.
    An der Tür war in einem der mittleren Felder so ein Ding angebracht: eine kleine, grazile Hand, die eine billardgroße Kugel umschloss, alles aus Eisen gegossen. Am Handgelenk ein Scharnier, so dass man sie hochheben und damit gegen die Tür schlagen konnte. Das tat er. Fest. Zweimal, dann noch zweimal. Nichts rührte sich. Der Türknauf war aus Messing mit Blumenmustern, die im Laufe der Jahre fast bis zur Unsichtbarkeit abgewetzt worden waren. Er ließ sich mühelos drehen. Slick öffnete die Tür.
    Er blinzelte angesichts der Vielfalt von Farben und Strukturen. Flächen aus poliertem dunklem Holz, schwarzer und weißer Marmor, Teppiche in tausend weichen Farben, die wie Kirchenfenster leuchteten, poliertes Silber, Spiegel … Er lächelte über den leichten Schock, ließ den Blick von einer Augenweide
zur nächsten wandern. So viele Dinge, die er oftmals gar nicht benennen konnte …
    »Suchst du jemand Bestimmten, Freundchen?«
    Der Mann stand vor einem riesigen Kamin. Er trug knallenge schwarze Jeans und ein weißes T-Shirt, war barfuß und hatte einen großen Cognacschwenker in der rechten Hand. Slick sah ihn verblüfft an.
    »Scheiße«, sagte Slick, »du bist er …«
    Der Mann schwenkte das braune Zeug bis zum Glasrand und nahm einen Schluck. »Hab mir schon gedacht, dass Afrika irgendwann so was abziehen würde«, sagte er, »aber du siehst mir eigentlich nicht wie einer seiner Lakaien aus, Kamerad.«
    »Du bist der Count.«
    »Ja«, sagte er, »ich bin der Count. Und wer, zum Teufel, bist du?«
    »Slick. Slick Henry.«
    Er lachte. »Wie wär’s mit’nem Cognac, Slick Henry?« Er zeigte mit dem Glas auf ein poliertes Holzmöbel, in dem eine Reihe schmuckvoller Flaschen standen, jede mit einer silbernen Plakette an einem Kettchen.
    Slick schüttelte den Kopf.
    Der Mann zuckte mit den Achseln. »Kannst dir damit sowieso keinen ansaufen … Entschuldige, wenn ich das sage, Slick, aber du siehst beschissen aus. Gehe ich recht in der Annahme, dass du nicht zu Kid Afrikas Unternehmen gehörst? Und wenn nicht, was hast du dann hier verloren?«
    »Gentry hat mich geschickt.«
    »Gentry wer?«
    »Du bist der Typ auf der Trage, stimmt’s?«
    »Der Typ auf der Trage bin ich. Wo genau ist diese Trage im Moment, Slick?«
    »Bei Gentry.«

    »Wo ist das?«
    »Factory.«
    »Eine Fabrik? Und wo ist die ?«
    »Dog Solitude.«
    »Und wie bin ich da hingekommen, wo immer das ist?«
    »Kid Afrika hat dich hergebracht. Zusammen mit dieser Cherry. Weißt du, ich war ihm’nen Gefallen schuldig, und er wollte, dass ich dich’ne Weile unterbringe, dich und Cherry, die sich um dich kümmert.«
    »Du hast mich Count genannt, Slick.«
    »Cherry sagt, Kid hätte dich mal so genannt.«
    »Sag mal, Slick, kam dir Kid nervös vor, als er mich zu euch gebracht hat?«
    »Cherry meint, er hat Schiss gekriegt in Cleveland.«
    »Jede Wette. Wer ist dieser Gentry?’n Freund von dir?«
    »Dem gehört Factory. Ich wohn auch da.«
    »Dieser Gentry, ist das’n Cowboy, Slick? Ein Konsolenjockey? Ich meine, wenn du hier bist, muss er technisch einigermaßen durchblicken, hab ich Recht?«
    Diesmal zuckte Slick mit den Achseln. »Gentry ist so’ne Art Künstler oder so. Hat so seine Theorien. Schwer zu erklären. Er hat an das Ding an der Trage, in das du eingesteckt bist,’ne Überbrückung drangehängt. Zuerst wollte er’n Holo kriegen, aber da kam dann bloß dieses Affending, so’n Schatten, und da hat er mich bequatscht …«
    »Du meine Güte … Na, egal. Diese Fabrik, von der du immer redest, steht die irgendwo in der Pampa? Relativ abgelegen?«
    Slick nickte.
    »Und diese Cherry ist so’ne Art Mietkrankenschwester?«
    »Ja. Sie hat’nen MTA-Wisch, sagt sie.«
    »Und es ist mich noch keiner suchen gekommen?«
    »Nein.«

    »Das ist gut, Slick. Denn wenn jemand kommt, mal abgesehen von meinem Freund Kid Afrika, dieser verlogenen Ratte, könntet ihr in ernste Schwierigkeiten geraten.«
    »Ja?«
    »Ja. Jetzt hör mir mal zu und merk dir, was ich sage. Falls irgendjemand in eurer Fabrik auftaucht, dann ist eure absolut einzige Hoffnung, dass ihr mich an die Matrix koppelt.

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