Neuromancer-Trilogie
Kapiert?«
»Wie kommst du zu dem Titel ›Count‹? Bist du ein Graf? Ich meine, was hat das zu bedeuten?«
»Bobby. Ich heiße Bobby. Count war mal mein Künstlername, das ist alles. Meinst du, du kannst dir merken, was ich dir gesagt habe?«
Slick nickte erneut.
»Gut.« Er stellte den Schwenker auf das Möbel mit den vielen hübschen Flaschen. »Horch!«, sagte er. Durch die offene Tür hörte man das Geräusch von Reifen auf Kies. »Weißt du, wer das ist, Slick? Das ist Angela Mitchell.«
Slick drehte sich um. Bobby der Count schaute hinaus.
»Angela Mitchell? Der Stim-Star? Steckt die auch hier drin?«
»Gewissermaßen, Slick, gewissermaßen.«
Slick sah den langen schwarzen Wagen vorbeirollen. »He«, begann er, »Count, ich meine, Bobby, was …«
»Immer mit der Ruhe«, sagte Gentry, »lehn dich einfach zurück. Ganz ruhig. Ganz ruhig …«
25
Nach Osten
Während Kelly und seine Assistenten ihre Reisegarderobe zusammenstellten, hatte sie das Gefühl, als würde sich das Haus um sie herum regen und sich wie so oft für eine kurze Zeit des Leerstehens rüsten.
Vom Wohnzimmer aus, wo sie saß, konnte sie ihre Stimmen hören, ihr Lachen. Eine der Assistentinnen war ein Mädchen in einem blauen Polykarbonat-Exo, mit dem sich die Hermès-Kleiderkoffer wie federleichte Schaumstoffblöcke tragen ließen. Die summende Skeletthaut tappte auf ihren breiten Dinosaurierbeinen leise die Stufen hinunter. Blaues Skelett, lederne Särge.
Nun stand Porphyre in der Tür. »Missy fertig?« Er trug einen langen, weiten Mantel aus papierdünnem schwarzem Leder; Rheinkieselsporen glitzerten über den Absätzen schwarzer Lackstiefel.
»Porphyre«, sagte sie, »du siehst ja richtig zivil aus. Wir haben einen großen Auftritt vor uns in New York.«
»Die Kameras sind auf dich gerichtet.«
»Ja«, sagte sie, »wegen meiner Wiedereinsetzung.«
»Porphyre wird sich schön im Hintergrund halten.«
»Das ist ja ganz was Neues, dass du darauf bedacht bist, keinem die Show zu stehlen.«
Er grinste und zeigte dabei seine modellierten, stromlinienförmigen Zähne, den Traum eines avantgardistischen Zahnarztes vom Gebiss einer schnelleren, eleganteren Spezies.
»Danielle Stark fliegt mit uns.« Angie hörte das Knattern des ankommenden Helikopters. »Sie steigt in LAX zu.«
»Die erdrosseln wir«, sagte er in vertraulichem Ton, während er ihr in den blauen Fuchs half, den Kelly ausgesucht hatte. »Wenn wir versprechen, dem Fax gegenüber ein sexuelles Motiv anzudeuten, spielt sie vielleicht sogar mit …«
»Du bist gemein.«
»Danielle ist ein Scheusal, Missy.«
»Fass dich mal an die eigene Nase.«
»Hm«, meinte der Friseur und kniff die Augen zusammen, »aber im tiefsten Innern bin ich unschuldig wie ein Kind.«
Der Helikopter setzte zur Landung an.
Danielle Stark, die für die Stim-Ausgabe von Vogue Nippon und Vogue Europa arbeitete, war, wie man überall munkelte, schon Ende achtzig. Wenn das stimmte, dachte Angie, die verstohlen die Figur der Journalistin musterte, als sie zu dritt in den Lear einstiegen, konnte Danielle es in Bezug auf den Umfang der plastischen Modifikationen durchaus mit Porphyre aufnehmen. Anscheinend hatte sie sich in ihren frühen Dreißigern, als sie noch gertenschlank gewesen war, lediglich mit hellblauen Zeiss-Implantaten aufmotzen lassen. Diese hatte ein junger französischer Modejournalist einmal als »modisch von vorgestern« bezeichnet; wie man sich bei Net erzählte, hatte der Journalist danach den Beruf wechseln müssen.
Und Angie wusste, dass Danielle bald über Drogen – VIP-Drogen – sprechen wollte und dabei die kornblumenblauen Schulmädchenaugen weit aufreißen würde, um ja alles mitzukriegen.
Unter Porphyres einschüchternden Blicken hielt sich Danielle zurück, bis sie Reisegeschwindigkeit erreicht hatten und irgendwo über Utah waren.
»Ich hatte gehofft«, begann sie, »dass nicht ich das Thema aufbringen müsste.«
»Das tut mir aber leid, Danielle«, erwiderte Angie. »Wie rücksichtslos von mir.« Sie berührte die furnierte Front der Hosaka-Bordküche, die leise surrte und kleine Teller mit in
Teerauch geräucherter Ente, Golf-Austern auf Schwarzpfeffertoast, Langustentörtchen, Sesam-Pfannkuchen und so weiter auszugeben begann. Porphyre verstand Angies Wink und brachte eine gekühlte Flasche Chablis zum Vorschein – Danielles Lieblingsmarke, wie Angie nun wieder einfiel. Jemand anders – Swift? – hatte sich ebenfalls daran
Weitere Kostenlose Bücher