Neuromancer-Trilogie
Füße waren bloß. »Trotzdem will ich … seinen Körper.« Sie lachte.
Alles
wurde anders.
»Saft?«, fragte Bobby der Count und hielt ein hohes Glas mit einer gelben Flüssigkeit hoch. Das Wasser im türkisfarbenen Pool warf tanzende Sonnenflecken auf die Palmwedel über seinem Kopf. Bis auf eine sehr dunkle Sonnenbrille war er nackt. »Was hat denn dein Freund?«
»Nichts«, hörte Slick Gentry sagen. »Er hat gesessen, mit künstlich induziertem Korsakov. Bei so’nem Übergang kriegt er’ne Wahnsinnsangst.«
Slick lag reglos auf der weißen Stahlrohrliege mit den blauen Kissen und spürte, wie die Sonne durch seine schmierigen Jeans brannte.
»Du bist der Typ, von dem er gesprochen hat, stimmt’s?«, fragte Bobby. »Du heißt Gentle und hast’ne Fabrik?«
»Gentry.«
»Du bist’n Cowboy.« Bobby lächelte. »’n Konsolenjockey. Ein Cyberspace-Profi.«
»Nee.«
Bobby rieb sich das Kinn. »Weißt du, dass ich mich hier drin rasieren muss? Hab mich geschnitten, hier ist die Narbe …« Er trank das Glas mit dem Saft halbleer und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. »Du bist kein Jockey? Wie biste dann reingekommen?«
Gentry zog den Reißverschluss seiner perlenbesetzten Jacke auf und entblößte seine knochenweiße, unbehaarte Brust. »Mach was gegen die Sonne«, sagte er.
Dämmerung. Einfach so. Nicht mal ein Klicken. Slick hörte sich stöhnen. In den Palmen hinter der weißgetünchten Wand begannen Insekten zu zirpen. Schweiß kühlte auf seinen Rippen ab.
»Tut mir leid«, sagte Bobby zu Slick. »Dieses Korsakov muss ganz schön beschissen sein. Aber das ist’n herrliches Plätzchen hier. Vallarta. Hat früher mal Tally Isham gehört.« Er wandte sich wieder Gentry zu. »Wenn du kein Cowboy bist, Kumpel, was biste dann?«
»So was wie du«, sagte Gentry.
»Ich bin ein Cowboy.« Hinter Bobbys Kopf lief eine Eidechse schräg an der Wand hoch.
»Nein. Du bist nicht hier, um was zu klauen, Newmark.«
»Woher willste das wissen?«
»Du bist hier, um was rauszufinden.«
»Ist doch das Gleiche.«
»Nein. Du warst mal’n Cowboy, aber jetzt bist du was anderes. Du suchst was, aber es gibt niemand, dem du’s klauen kannst. Ich such auch danach.«
Und Gentry fing an, sich über die Gestalt auszulassen, während die Schatten der Palmen sich zur mexikanischen Nacht verdichteten. Bobby der Count saß da und hörte ihm zu.
Als Gentry geendet hatte, saß Bobby lange Zeit da, ohne ein Wort zu sagen. Dann erklärte er: »Ja, hast Recht. So wie ich das sehe, will ich rauskriegen, was die Wende ausgelöst hat.«
»Vorher hatte der Cyberspace gar keine Gestalt .«
»He«, sagte Slick, »vorhin waren wir noch woanders. Wo war das?«
»Straylight«, antwortete Bobby. »Am oberen Ende des Schachts. Im Orbit.«
»Wer ist das Mädchen?«
»Das Mädchen?«
»Dunkle Haare. Dünn.«
»Oh«, sagte Bobby im Dunkeln, »das war 3Jane. Habt ihr sie gesehn?«
»Komische Frau«, meinte Slick.
»Tote Frau«, sagte Bobby. »Ihr habt ihre Konstruktion gesehn. Sie hat ihr Familienvermögen durchgebracht, um das hier zu bauen.«
»Bist du … äh … mit ihr zusammen? Hier drin?«
»Die hasst mich wie die Pest. Wisst ihr, ich hab ihr das Ding geklaut. Ihren Seelenfänger. Ihre Konstruktion war hier drin, als ich nach Mexiko abgehauen bin, deshalb war sie die ganze Zeit hier. Aber dann ist sie gestorben. Draußen, meine ich. Inzwischen wird ihr ganzer Kram draußen, die Projekte und Intrigen und der ganze Beschiss, von Anwälten, Programmen und andern Lakaien weitergeführt.« Er grinste. »Sie ist echt voll genervt. Die Leute, die bei euch einzusteigen versuchen, um das Aleph zurückzuholen, arbeiten für jemand anderes, der wiederum für Leute arbeitet, die sie an der Küste angeheuert hat. Aber, na ja, ich hab schon den einen oder andern Deal mit ihr gemacht,’n paar Sachen getauscht. Sie ist nicht ganz dicht, aber total abgebrüht …«
Nicht mal ein Klicken.
Zunächst glaubte er, wieder in dem grauen Haus zu sein, wo er Bobby zum ersten Mal gesehen hatte, aber dieses Zimmer war kleiner, und die Möbel und Teppiche waren anders – er wusste nicht genau, inwiefern. Prächtig, aber nicht so prunkvoll. Dezent. Eine Lampe mit grünem Glasschirm brannte auf einem langen Holztisch. Hohe Fenster mit weißen Sprossen,
die das Weiß draußen in Rechtecke zerlegten. Das musste Schnee sein … Er stand da, die Wange an einer weichen Gardine, und schaute in einen ummauerten,
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