Neuromancer-Trilogie

Hydrostatischer Schock.«
    Case spürte, wie sie prüfend die Finger bewegte. Das Material der Kugel schien nicht mehr Widerstand zu bieten als Temperschaum. Der Schmerz in ihrem Bein war grauenvoll, unerträglich. Ein rotes Moiré waberte durch ihr Blickfeld. »Ich würde sie nicht bewegen, wenn ich du wäre.« Das Innere der Kugel schien sich ein wenig zu verfestigen. »Ist ein Sexspielzeug, das Jane in Berlin gekauft hat. Wenn du die Hände lange genug bewegst, zerquetscht es sie dir zu Mus. Eine Variante des Materials, aus dem dieser Boden besteht. Hat was mit den Molekülen zu tun, nehme ich an. Hast du Schmerzen?«
    Sie stöhnte.
    »Hast dir anscheinend das Bein verletzt.« Seine Finger entdeckten das flache Drogenpäckchen in der linken Gesäßtasche ihrer Hose. »Sieh an. Ein letzter Gruß von Ali für mich, und genau rechtzeitig.«
    Das wabernde Blutgeflecht begann zu rotieren.
    »Hideo«, sagte eine andere, weibliche Stimme, »sie wird ohnmächtig. Gib ihr was! Auch gegen die Schmerzen. Sie ist sehr attraktiv, findest du nicht auch, Peter? Diese Brille, ist das gerade in Mode, wo sie herkommt?«
    Kühle Hände ohne Hast, sicher wie die Hände eines Arztes. Das Pieken einer Nadel.
    »Keine Ahnung«, sagte Riviera. »Ich kenne ihre Heimat nicht. Die haben mich aus der Türkei abgeschleppt.«

    »Das Sprawl, ja. Wir haben Interessen dort. Und einmal haben wir Hideo hingeschickt. War eigentlich mein Fehler. Ich habe jemanden reingelassen, einen Einbrecher. Der hat das Familienterminal geklaut.« Sie lachte. »Ich hab’s ihm einfach gemacht. Um die andern zu ärgern. War ein hübscher Bursche, mein Einbrecher. Kommt sie zu sich, Hideo? Sollte sie nicht mehr bekommen?«
    »Mehr bringt sie um«, sagte eine dritte Stimme.
    Das Blutgeflecht verfärbte sich schwarz.
    Die Musik klang wieder auf. Bläser und Klavier. Tanzmusik.
    CASE :::::
    :::: STECK
    AUS ::::::
    Nachbilder der blinkenden Wörter tanzten über Maelcums Augen und seine gerunzelte Stirn, als Case die Troden abnahm.
    »Has’ vor’ner Weile laut geschrien, Mann.«
    »Molly«, sagte er mit trockener Kehle. »Sie hat was abgekriegt.« Er nahm eine weiße Plastikspritzflasche vom Rand des g-Netzes und saugte einen Schluck schales Wasser heraus. »Gefällt mir gar nicht, wie der ganze Scheiß läuft.«
    Der kleine Cray-Monitor leuchtete auf. Der Finne vor einem Hintergrund aus zerbeultem, verkeiltem Schrott. »Mir auch nicht. Wir haben ein Problem.«
    Maelcum zog sich über Cases Kopf, drehte sich und schaute ihm über die Schulter. »Wer’s’n das nun wieder, Case?«
    »Nur’n Bild, Maelcum«, sagte Case müde. »’n Typ, den ich ausm Sprawl kenne. Der Sprecher ist Wintermute. Das Bild soll bewirken, dass wir uns wohl fühlen.«
    »Blödsinn«, sagte der Finne. »Wie ich Molly schon gesagt habe, sind das keine Verkleidungen. Ich brauch das, um mit euch zu reden. Weil ich eigentlich keine Persönlichkeit habe,
wie ihr’s nennt. Aber wir verschwenden bloß unsere Zeit, Case, denn wie gesagt, wir haben ein Problem.«
    »So sprich, Stummer!«, sagte Maelcum.
    »Zunächst mal ist Mollys Bein hin. Sie kann nicht gehn. Das Ganze war so geplant, dass sie reinspaziert, Peter aus dem Weg räumt, 3Jane das Zauberwort aus der Nase zieht, zum Kopf raufgeht und es ausspricht. Aber sie hat’s vermasselt. Also will ich, dass ihr beide reingeht und die Sache erledigt.«
    Case starrte das Gesicht auf dem Bildschirm an. »Wir?«
    »Wer sonst?«
    »Aerol«, sagte Case, »der Bursche auf der Babylon Rocker , Maelcums Kumpel.«
    »Nein. Du. Muss jemand sein, der Molly versteht, der Riviera versteht. Maelcum fürs Grobe.«
    »Vielleicht hast du vergessen, dass ich hier mitten in einem kleinen Run stecke. Erinnerst du dich? Deshalb hast du mich doch hergeschafft …«
    »Case, hör mal. Die Zeit ist knapp. Sehr knapp. Also hör zu. Die eigentliche Verbindung zwischen deinem Deck und Straylight läuft auf einem Seitenfrequenzband übers Navigationssystem der Garvey . Ihr bringt die Garvey in ein abgelegenes Dock, das ich euch zeige. Das chinesische Virus hat die Struktur des Hosaka inzwischen völlig durchdrungen. Im Hosaka ist jetzt nur noch das Virus drin. Wenn ihr anlegt, wird das Virus mit dem Sicherheitssystem von Straylight gekoppelt, und wir geben das Seitenband auf. Du nimmst dein Deck, die Flatline und Maelcum mit. Du suchst 3Jane, holst das Wort aus ihr raus, machst Riviera kalt und nimmst Mollys Schlüssel. Du kannst das Programm im Auge behalten, indem du dein