Neuromancer-Trilogie
wir uns unterhalten, du und ich? So wie jetzt?« Ihr dunkles Haar war sehr glatt, in der Mitte gescheitelt und mit einer matten Silberspange zurückgebunden. »Sollen wir jetzt miteinander reden?«
»Nimm mir das ab«, sagte Molly und hob ihre gefesselten Hände.
»Du hast meinen Vater umgebracht«, sagte 3Jane mit unveränderter Stimme. »Hab’s auf den Monitoren gesehen. ›Die Augen meiner Mutter‹ hat er sie genannt.«
»Er hat die Puppe umgebracht. Die sah aus wie du.«
»Er liebte große Gesten«, sagte sie, und dann stand Riviera in bester Drogenlaune neben ihr. Er hatte den Sträflingsanzug
aus Leinenkrepp an, den er auf dem Dachgarten ihres Hotels getragen hatte.
»Schon Bekanntschaft geschlossen? Interessantes Mädchen, nicht? Fand ich auch, als ich sie kennenlernte.« Er ging an 3Jane vorbei. »Es wird nicht klappen, weißt du?«
»Ach nein, Peter?« Molly brachte ein Lächeln zustande.
»Wintermute ist nicht der Erste, der den Fehler begeht, mich zu unterschätzen.« Er schlenderte über den gefliesten Poolrand zu einem weißbeschichteten Tisch und goss sich Mineralwasser in ein schweres Whiskykristallglas. »Er hat mit mir gesprochen, Molly. Ich vermute, er hat mit uns allen gesprochen. Mit dir und Case und Armitage, soweit von dem überhaupt noch was übrig ist. Wintermute kann uns im Grunde nicht verstehen. Er hat seine Profile, aber das sind nur Statistiken. Du bist vielleicht statistisch erfassbar, Darling, und Case sowieso, aber ich habe etwas an mir, was von Natur aus nicht quantifizierbar ist.« Er trank.
»Und was genau wäre das, Peter?«, fragte Molly tonlos.
Riviera strahlte. »Perversität.« Er kehrte zu den beiden Frauen zurück und schwenkte das verbliebene Wasser in dem schweren, tief ausgehöhlten Zylinder aus Bergkristall, als gefiele ihm dessen schieres Gewicht. »Die Lust am Unnötigen, Grundlosen. Und ich habe eine Entscheidung getroffen, Molly, eine absolut grundlose Entscheidung.«
Sie sah abwartend zu ihm auf.
»Ach, Peter«, sagte 3Jane in dem Ton milden Tadels, den man normalerweise nur kleinen Kindern gegenüber benutzt.
»Kein Wort für dich, Molly. Tja, siehst du, er hat mir davon erzählt. 3Jane kennt das Schlüsselwort natürlich, aber du erfährst es nicht. Und Wintermute auch nicht. Auf ihre perverse Weise ist meine Jane ein ehrgeiziges Mädchen.« Er lächelte erneut. »Sie hat ihre Pläne fürs Familienimperium, und ein Zweiergespann geisteskranker künstlicher Intelligenzen – so
ausgeflippt sich das anhören mag – wäre uns dabei nur im Weg. Tja, und schon kommt Riviera daher und hilft ihr aus der Patsche. Und Peter sagt: Lass dich nicht beirren! Spiel Daddys liebste Swingplatten und lass Peter die passende Band heranschaffen und ein Parkett voller Tänzer organisieren – die Totenfeier für den verblichenen König Ashpool.« Er trank den Rest Mineralwasser aus. »Nein, du würdest es nicht mehr bringen, Daddy, du würdest es nicht mehr bringen, jetzt, wo Peter heimgekehrt ist.« Und damit schmetterte er ihr mit strahlendem, vom Kokain und Meperidin rosigen Gesicht das Glas ins linke Linsenimplantat, so dass ihr Blut und Licht ins Auge schossen.
Maelcum klebte ausgestreckt an der Kabinendecke, als Case die Troden abnahm. Ein Nylongurt um seine Hüften war mit stoßdämpfenden Gummizügen und grauen Gummisaugnäpfen beidseitig an den Wandverkleidungen befestigt. Er hatte sein Hemd ausgezogen und hantierte mit einem unförmigen Null-g-Schlüssel an einem mittleren Verkleidungsteil herum. Die dicken Unterlegfedern des Dings sirrten, als er eine weitere Sechskantschraube löste. Die Marcus Garvey ächzte und rüttelte unter der Gravitationsbelastung.
»Der Stumme bringt mich’n’ mich ins Dock«, sagte der Zionit und steckte die Sechskantschraube in einen Netzbeutel an seiner Hüfte. »Maelcum landet das Schiff. Inzwischen brauchen wir Werkzeug für den Job.«
»Da drin hast du Werkzeug?« Case reckte den Hals und betrachtete die Muskelstränge, die sich an dem braunen Rücken spannten.
»Da«, sagte Maelcum und zog ein längliches, in schwarzes Polykarbonat gewickeltes Bündel aus dem Raum hinter der Verkleidung hervor. Er passte die Verkleidung wieder ein und fixierte sie mit nur einer Schraube. Das schwarze Bündel war
davongeschwebt, bevor er damit fertig war. Er öffnete mit dem Daumen die Vakuumventile an den grauen Saugnäpfen des Arbeitsgürtels, löste sich ab und holte das entnommene Ding zurück.
Er stieß sich ab, schwebte über
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