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Neva

Neva

Titel: Neva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Grant
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Das ist jedoch immer noch besser, als wenn er mich in seinem Geheimzimmer ertappen würde.
    Ich konzentriere mich, stecke den Schlüssel ins Schloss und drehe ihn. Das Holzpaneel öffnet sich klickend. Warme, abgestandene Luft dringt durch den Spalt. Mit einem Finger schiebe ich das Paneel auf. Es öffnet sich gerade weit genug, dass eine einzelne Person seitlich hindurchschlüpfen kann. Und das tue ich nun. Eine kümmerliche Deckenbeleuchtung geht flackernd an, und ich fahre erschreckt herum, aber offensichtlich hat die Tür einen Mechanismus ausgelöst. Der Raum ist etwa so groß wie Dads Büro, aber viel karger eingerichtet. An einer Wand stehen Aktenschränke aus Metall, an einer anderen gläserne Schaukästen. Bücherregale nehmen die anderen beiden Wände ein. In der Mitte des Raumes befindet sich ein großer Metalltisch.
    Ich höre ein schwaches Klicken, dann beginnt die Luft zu zirkulieren. Meine Anwesenheit hat das ausgewogene Klima dieses Raumes verändert. Zu meiner Rechten sehe ich eine Schalttafel mit winzigen grünen und roten Lichtern. Offenbar wird in diesem Raum alles genau überwacht: Licht, Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Geräusche. Als ich näher komme, scheinen meine Schritte, meine Atemzüge die bunten Lichter zum Blinken zu bringen. Schweiß rinnt mir über den Rücken. Ich habe Angst. Löse ich irgendwo Alarm aus? Eingehend mustere ich die Kontrolltafel, aber nichts deutet auf ein Sicherheitssystem hin. Das hier ist ein Archiv. Die Geräte dienen lediglich dazu, alte Dokumente zu erhalten; sie sind nicht da, um den Inhalt des Raumes zu sichern. Zögernd mache ich einen Schritt in den Raum hinein, dann noch einen.
    Die Bücher in den Regalen sehen genauso aus wie die in seinem Büro. Was mag an ihnen nur so besonders sein? Ich suche mir irgendein Exemplar aus und ziehe es behutsam hervor. Keine Ahnung, wie man den Namen auf dem Rücken ausspricht. Das Buch scheint in meinen zittrigen Händen zu vibrieren. Ich lege es auf den Tisch und schlage es auf. Die Seiten vor mir zeigen eine schneebedeckte Landschaft wie aus einem Märchen. Die Abbildungen wirken wie echte Fotografien, müssen aber Computersimulationen oder sehr lebensecht gezeichnet sein. Auf einem Bild sehe ich weiße Felsen aus Eis, die aus dem Meer ragen. Auf einem anderen merkwürdige vogelartige schwarz-weiße Tiere. Aufgeregt blättere ich zum Anfang und erwarte dort den Beginn einer schönen Geschichte. Stattdessen liest es sich wie ein Sachbuch über eine Landmasse mit einem komischen Namen im Süden von etwas, das sich Globus nennt.
    Ich hole ein anderes Buch hervor. Darin sind keine Bilder, und nicht einmal die Wörter sind mir vertraut. Ich erkenne die Buchstaben, aber die Begriffe, die sie bilden, habe ich nie zuvor gesehen. Manche Wörter haben Striche oder Dächer über den Vokalen und winzige Häkchen unter dem »c«. Eine fremde Sprache? Das alles ist fast zu viel für mich. Ich stelle beide Bücher zurück an ihren Platz.
    Ich habe nicht die Zeit, mir jedes Buch anzusehen; ich weiß ja nicht einmal, wonach ich eigentlich suche. Mein Herz rast. Ich gehe zu den Schaukästen. Genau in der Mitte sehe ich eine große Kugel. Die blaue Oberfläche ist mit grünen Flecken verziert. Eines der grünen Felder kommt mir bekannt vor: Es erinnert mich an die Umrisse von Heimatland. Ich gehe so nah heran, wie ich kann, ohne das Glas zu berühren. Aber der Name dieser Form ist ein anderer. Wie seltsam … Außerdem wirkt sie so klein auf dieser großen Kugel.
    Ich betrachte die anderen Gegenstände in der Vitrine: Es sind hauptsächlich alte, vergilbte Bücher mit ausgefransten oder fehlenden Deckeln. Daneben sehe ich eine Vielzahl von Apparaten, die Dads InfoScreen ähneln, obwohl sie kleiner sind. Langsam drehe ich mich um meine eigene Achse. Mir ist es eng in der Brust geworden. Ich glaube, ich habe gerade herausgefunden, dass meine Großmutter recht gehabt hat. Es gab tatsächlich Leben außerhalb der Protektosphäre – eine ganze Kugel voller Leben. Aber was einst war und was nun ist, das sind zwei ganz verschiedene Dinge.
    Ich möchte mir alles genau ansehen, alles lesen, alles anfassen, aber ich habe keine Zeit dazu.
Denk nach.
Die Bücher sind zu alt, um mir aktuelle Informationen verschaffen zu können. Die Schaukästen sind verschlossen. Ich umrunde den Tisch und lese die Etiketten auf den Aktenschränken. Auf jeder Schublade stehen eine Zahl und ein Buchstabe. Für mich ergibt das keinen Sinn. Es ist, als ob sich die

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