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Neva

Neva

Titel: Neva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Grant
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geben.«
    Darauf kenne ich die Antwort, denn meine Großmutter hat es mir einmal erklärt. »Als die Protektosphäre versiegelt wurde, hat man den Kalender auf den 01 . 01 . im Jahr 01 zurückgestellt.«
    »Nev, das ist ja Wahnsinn.« Sie legt den Arm um meine Schultern. Unwillkürlich frage ich mich, was Braydon von der Sache halten würde. Ich versuche energisch, ihn aus meinen Gedanken zu verdrängen.
    »Es beweist auf jeden Fall, dass es draußen etwas gegeben hat.« Ich schiebe die Puzzleteile zu einem Haufen zusammen.
    »Und was die Leute in dem Artikel prophezeien, passiert tatsächlich. Uns gehen die Rohstoffe aus. Und wir werden krank.«
    »Ich kann echt Ärger kriegen, wenn das rauskommt. Was, wenn sie meinen Vater feuern? Oder …« Ich betrachte die Papierschnipsel. »… Schlimmeres?« Ich lege mich ins kühle Gras, und Sanna streckt sich neben mir aus. Wir schauen hinauf in die Protektosphäre, und plötzlich sieht sie anders aus, irgendwie trüber, da wir nun mehr über unsere Geschichte wissen. Bisher hat man uns stets erklärt, dass wir nach dem
Terror
unsere Grenzen geschlossen haben. Aber man hat offenbar vorher schon Leute vertrieben. Dieser Artikel klingt nicht danach, als wäre es vor allem um Selbstschutz gegangen. Unsere Gründungsväter haben eine Wahl getroffen. Die Menschen außerhalb waren am Leben und wohlauf, als die Protektosphäre versiegelt wurde.
    Nach einer Weile setze ich mich auf. »Du musst das für mich aufbewahren«, sage ich und schiebe ihr die Papierschnipsel hin. Mir ist klar, dass ich damit eine Menge verlange. »Nur, bis ich weiß, was als Nächstes zu tun ist.«
    »Oh, Nev, ich weiß nicht.« Sie schiebt sie zurück, doch ich wehre ab.
    »Mein Dad hätte mich fast erwischt«, sage ich und erzähle ihr die atemberaubende Geschichte meiner Flucht aus dem Archiv. »Versteck das Blatt irgendwo. Du darfst niemandem davon erzählen.«
     
    Ich wandere bis zehn Uhr durch die Gegend. Am liebsten würde ich mich im Schatten verstecken, aber meine Furcht fesselt mich ans Licht. Ich bewege mich von Lichtquelle zu Lichtquelle. Die Straßen, die ich schon tausendmal entlanggegangen bin, kommen mir verändert vor. Die Luft, die an mir vorbeistreicht, riecht fremd. Ich habe mich verirrt, auch wenn ich draußen vor meinem Haus stehe. Ich warte auf das Licht im Schlafzimmer meiner Eltern. Im Hause Adams geht man zu Bett, sobald Großvaters alte Kaminuhr zehn schlägt. Dann kommt meine Mutter und küsst mich auf die Stirn, und Dad ruft von irgendwo, dass ich »schön schlafen« soll. Mir ist nie klar, was genau er damit meint.
    Das Licht im Fenster meiner Eltern geht an. Eine Silhouette tritt in den Rahmen, und an den abfallenden Schultern erkenne ich meine Mom. Sie sieht hinaus, bevor sie die Vorhänge zuzieht. Wahrscheinlich schaut sie nach mir. Ich warte noch zehn Minuten, bevor ich zur Tür gehe.
    Als ich nach dem Türknauf greife, wird die Tür von innen aufgerissen, und ich falle beinahe auf meinen Vater. Drohend ragt er vor mir auf. »Wie konntest du?«
    Ich finde mein Gleichgewicht wieder. Am liebsten würde ich davonlaufen.
    Er macht kehrt und geht ins Wohnzimmer, und ich schlurfe hinter ihm her. Ich hätte erwartet, dass er wütend mitten im Raum stehen bleibt, aber er setzt sich auf die Couch und fällt förmlich in sich zusammen. »Wie konntest du mich nur in so eine Situation bringen?«, fragt er wieder, doch die Schärfe ist aus seiner Stimme verschwunden.
    Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll.
    »Ich weiß, dass du im Archiv warst.«
    »Wovon redest d…?«
    Er schüttelt den Kopf. »Bitte mach es nicht noch schlimmer, indem du mich anlügst. Ich kenne den Raum. Ich merke sofort, wenn ihn jemand betreten hat.«
    »Es tut mir leid, Dad«, entschlüpft es mir.
    »Du hättest nicht hineingehen dürfen.« Er sieht nicht auf. »Jetzt kannst du nicht mehr zur Arbeit kommen. Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll, ohne zu viele Fragen aufzuwerfen, aber mir wird schon etwas einfallen.«
    Ja, wie immer, denke ich bei mir. Schließlich ist er ein Meister im Erfinden von Geschichten.
    »Warum, Neva?« Geistesabwesend wickelt er sich wieder und wieder eine Locke um den Finger.
    »Ich kann nicht fassen, dass du so bedeutende Informationen über draußen wegsperrst.« Ich warte auf seine Erklärung, die Beteuerung, dass ich mich irre. Dass er nicht Teil der Verschwörung ist, die uns hier drinnen festhält.
    »Ich hätte die Unterlagen längst loswerden müssen. Ich hatte

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