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Neva

Neva

Titel: Neva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Grant
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meinem Mund nähern, und will aufstehen.
    »Nev, entspann dich.« Sanna ist an meiner Seite. Ich kann den herben Champagner in ihrem Atem riechen. Sie tätschelt mich und drückt mich wieder zurück auf den Stuhl. »Er steckt dir so etwas wie einen Strohhalm in den Mund, wenn er so weit ist.«
    »Es wäre nett gewesen, wenn er mir das vorher gesagt hätte.« Alles stürzt auf mich ein. Er macht mich zu einer Person, die ich nicht sein will. Meine Gefühle für ihn brodeln unter der Oberfläche. Ich muss hier raus. »Hört zu, ich kann nicht … Das hier ist … Ich muss …« Ich ringe nach Luft.
    Braydon weicht zurück.
    »Nev, alles ist gut«, gurrt Sanna. »Denk an etwas Schönes.« Sie lallt schon fast. Der Champagner vernebelt langsam auch meinen Verstand. Ich lasse meine Gedanken zerfasern. Ich will nicht, dass Braydon damit aufhört, mich zu berühren. Es könnte – muss! – das letzte Mal sein.
    »Es tut mir leid«, sage ich. Ich fühle, wie der Gips auf meiner Stirn auszuhärten beginnt.
    »Willst du, dass Braydon aufhört?«, fragt sie.
    »Nein«, flüstere ich. Ich will nicht, dass er aufhört. Das ist ja das Problem. Ich fürchte, ich muss sterben, wenn er es tut. »Es wird schon wieder. Gebt mir eine Minute.«
    Die Luft um mich herum kühlt sich ab. Sie haben sich von mir entfernt, aber nicht allzu weit, und ich spüre, dass sie mich beobachten. Ihre Stimmen und die Geräusche ihrer Bewegungen verstummen, ich nehme sie wie atmosphärische Störungen wahr. Ich habe den Eindruck, dass Sanna kichert.
    »Jetzt geht’s wieder«, erkläre ich. »Bringen wir es hinter uns.«
    »Bist du sicher?«, erkundigt sich Braydon und berührt meinen Arm mit einem Teil seiner Hand, der noch frei von Gips ist.
    Ich nicke. »Aber rede mit mir, ja?«
    »Okay«, willigt er ein. Er muss wissen, was ich gerade durchmache. Spürt er es auch? »Worüber sollen wir uns unterhalten?«
    Ich habe eine Million Fragen.
Warum tust du mir das an?,
steht ganz oben auf der Liste, dicht gefolgt von
Wer zum Teufel bist du?
Stattdessen antworte ich nur: »Irgendwas. Erzähl mir was von dir.« Er steht wieder über mir, seine Schenkel sind angespannt.
    »Hey, toll, Märchenstunde«, meldet sich Sanna zu Wort. Sie denkt, ich zeige Interesse.
    »Mach ich, wenn du still sitzen bleibst.« Er beugt sich näher über mich. »Ich stecke dir jetzt den Strohhalm in den Mund, damit du atmen kannst.« Er schiebt mir ein biegsames Röhrchen zwischen die Zähne. »Schließ die Lippen darum.«
    Ich tue es. Und fahre mit der Zunge über das Ende des Halms.
    »Alles okay?«, fragt er.
    Ich nicke und drücke Luft aus dem Röhrchen.
    »Sanna hat dir bestimmt erzählt, dass das hier nicht wirklich mein Haus ist.« Er spricht recht langsam, so, als ob er seine Worte sorgfältig aussucht. »Meine Eltern hatten ein paar Schwierigkeiten, und man schickte mich in eine Pflegefamilie. Mein neuer Vormund hatte aber bereits fünf Kinder in seiner Obhut, daher beschloss ich … na ja, abzuhauen. Ich glaube, er hat mein Fehlen nicht einmal gemeldet. Er hätte das Geld verloren, das die Regierung ihm zahlt, und ein Vermisster mehr oder weniger kümmert sowieso niemanden.«
    Ich will ihn fragen, ob er in Bezug auf seine Herkunft die Wahrheit gesagt hat, aber mit dem Strohhalm im Mund und dem aushärtenden Gips auf dem Gesicht sind meine Worte unverständlich. Erstaunlicherweise übersetzt Sanna: »Meine neugierige Freundin will wissen, ob du wirklich ein Bartlett bist.« Sie befindet sich wieder in einiger Entfernung.
    »Ja, ob du es glaubst oder nicht. Der Nachname meiner Mutter war allerdings Benzoni, also bin ich nur zur Hälfte ehrbar.« Er lacht, und Sanna antwortet mit einem Kichern.
    Er zeichnet meine Lippen nach, zieht immer wieder kleine Kreise darum. Ich verlagere meine Position. Nun gibt er etwas von der Pampe auf meine linke Wange. »Irgendwann entdeckte ich dieses Haus und erfuhr, dass der Rat vorhat, das Land in einen Friedhof umzuwandeln. Dann wäre aus dem Haus hier ein Mausoleum geworden.« Seine Antwort wirkt irgendwie einstudiert. Vielleicht mache ich ihn aber auch nervös.
    Ich habe so viele Fragen an ihn. Wieder versuche ich zu sprechen, aber es hat keinen Zweck.
    »Völlig schräg. Ein Haus für die Toten«, meint Sanna. »Leichen, die wie Blumen im Garten eingepflanzt werden.«
    Ich wünschte, sie hätte das nicht gesagt. Ein solches Bild kann ich in meinem Kopf nicht gebrauchen.
    »Ich bin fast fertig«, sagt er. Seine Hände streicheln mein

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