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Neva

Neva

Titel: Neva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Grant
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ab, immer ein Stückchen weiter, bis ich die ganze Brücke dreimal abgelaufen bin. Die Geschäftleute, die Einzigen, die die ganze Zeit über hier sind, werfen mir neugierige Blicke zu. Einer fragt mich sogar, ob mit mir alles in Ordnung sei. »Ja, ja«, antworte ich, aber ich kann mich nicht auf ihn konzentrieren, weil ich nach ihr Ausschau halte. Ich wandere weiter.
    Über die Schulter schaue ich ständig hinter mich und bin so vertieft, dass ich mit einem alten Mann zusammenstoße. Er ächzt, und sein Gehstock fällt klappernd zu Boden. Hastig klammert er sich am Brückengeländer fest.
    »Oh, Entschuldigung«, sage ich und hebe den Stock auf. Er streicht sich sein braunes Tweedjackett mit den helleren Flicken an den Ellenbogen glatt. Es dauert ein paar Sekunden, bis er nach dem Stock greift. Als er lächelt, legen sich seine Falten in weitere Falten. Sein Kopf ist kahl. Der blanke Schädel wirft das Sonnenlicht zurück, und ich erkenne einen zarten Flaum auf seiner Kopfhaut. Heutzutage sieht man nicht viele Männer, die so alt sind.
    »Schon in Ordnung, junge Lady«, erwidert er, doch ich kann sehen, dass das nicht stimmt. Er presst sich eine Hand aufs Herz und holt ein paarmal langsam und tief Luft. Ich beobachte, wie sich seine Brust hebt und senkt.
    »Möchten Sie sich hinsetzen?«, frage ich ihn. Als ich die Brücke absuche, muss ich allerdings erkennen, dass er sich hier nirgendwo hinsetzen kann.
    »Ja, das wäre nett.«
    Ich lege den Arm um seine Schultern. »Sie könnten sich auf einer Treppenstufe ausruhen. Oder ich bringe Sie hinunter zum Ufer, und wir setzen uns dort auf eine Bank.« Wir bewegen uns bereits auf die Treppe zu.
    »Ah, ein kleiner Plausch am Fluss. Wie schön«, gibt er zurück.
    An der obersten Stufe zögere ich und sehe mich ein letztes Mal um. Großmama kommt nicht. Die Enttäuschung schnürt mir die Kehle zu. Es fühlt sich an, als hätte ich sie ein zweites Mal verloren.
    »Stimmt etwas nicht?«, fragt er, als er bemerkt, dass ich nicht weitergehe.
    »Nein, schon gut.« Gemeinsam nehmen wir die erste Stufe. »Ich habe bloß auf jemanden gewartet, und sie ist nicht aufgetaucht.«
    »Oh, das ist aber schade«, erwidert er und steigt die nächsten paar Stufen viel rascher hinab. »Du musst besser aufpassen«, fügt er hinzu, als wir unten angekommen sind.
    »Es tut mir wirklich leid. Ich habe einfach nicht darauf geachtet, wo ich hinlaufe. Ich hoffe, Sie haben sich nicht weh getan. Ich …«
    Er drückt meine Hand, um meinen Redeschwall zu unterbrechen. Das Funkeln in seinen dunkelbraunen Augen erinnert mich plötzlich an Ethan, wie er früher gewesen ist. »Ich glaube, ich werde beobachtet.«
    Na toll. Nicht nur, dass ich Großmama heute doch nicht treffe, jetzt habe ich mir auch noch einen durchgeknallten alten Mann mit Verfolgungswahn angelacht. Ich will mich von ihm losmachen, aber er drückt meine Hand fester. »Ich kannte deine Großmama«, flüstert er.
    Mein Knie geben nach, und ich lehne mich gegen ihn, um das Gleichgewicht zu halten. Er ist wie ein Fels in der Brandung und schwankt nicht einmal unter meinem Gewicht.
    »Führ mich zu der Bank dort. Lassen wir uns Zeit dabei.« Langsam schlurfen wir voran. »Als deine Großmutter gegangen ist, sollte ich eigentlich mitkommen. Doch als es so weit war, konnte ich einfach nicht. Ich hatte zu große Angst. Ich war so dumm.« Er lächelt sein herzliches, faltiges Lächeln. »Sie hat immer nur von dir gesprochen.«
    »Sie haben mir die Postkarte geschickt, oder?«
    Er nickt. »Als sie ging, hat sie mir die Karte gegeben. Ich sollte sie dir schicken, wenn die Regierung plant, die Protektosphäre zu sanieren. Soeben habe ich erfahren, dass es nun so weit ist und in kurzer Zeit mit der Restaurierung begonnen werden soll.«
    Vielleicht ist das der Grund, weshalb die Polizei so unruhig ist, wie Sannas Bruder meinte. Vielleicht hat sogar Carson und Sengas Widerstandsbewegung etwas damit zu tun. Vielleicht hat mein Dad darum in letzter Zeit all diese wichtigen Besprechungen. Ich möchte innehalten, um das alles zu verarbeiten, doch er drängt mich sanft weiter voran.
    »Sie möchte, dass du zu ihr kommst.« Gemächlich lässt er sich auf die Bank sinken.
    »Wohin?«
    »Nach draußen«, antwortet er und zeigt zum Himmel, »auf die andere Seite der Protektosphäre.«
    Ich lasse mich neben ihn fallen. Meint er das ernst? Und: Kann ich ihm trauen?
    Als er mich näher zu sich zieht, überrascht mich sein eiserner Griff. »Komm in vier Tagen um

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