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Neva

Neva

Titel: Neva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Grant
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Gesundheitsministerium Straßen? Wahrscheinlich wird es gut bewacht. Aber ein Vorteil ist, dass es dort oben wohl nur tragbare Generatoren gibt.«
    »Und wieso ist das ein Vorteil?«, fragte ich.
    »Weil das heißt, dass sie den Strom nur für unbedingt notwendige Dinge einsetzen – also nicht für Elektrozäune oder komplizierte Überwachungssysteme. Die Anlage wird vermutlich ganz altmodisch bewacht. Und du bist sicher, dass du das machen willst?«
    Ich hatte genickt, aber alles in mir hatte danach geschrien, das ganze Vorhaben abzublasen. Was hatte ich mir bloß gedacht? Braydon wollte mich überreden, noch zu warten, aber ich drängte zum Handeln. Dass mir nur drei Tage bleiben, weiß er natürlich nicht. Außerdem hatte ich Angst, uns zu viel Bedenkzeit zu lassen: Wenn ich zu intensiv über unser Vorhaben hätte nachdenken können, hätte ich vielleicht nicht mehr genügend Kraft aufgebracht, um die Sache durchzuziehen.
    Und so sind wir heute Morgen gestartet. Braydon hat uns ein paar Dinge besorgt: Wasser, Essen, Decken und eine Ersatzbatterie für sein Motorrad. Ladestationen gibt es nur in der Stadt und in einem Umkreis von etwa hundert Meilen außerhalb. Wenn Sengas Angaben stimmen, müssen wir sehr viel weiter fahren.
    Die Fahrbahn ist frei und zieht sich endlos dahin. Es ist, als wären wir in eine andere Welt entkommen. Der Sog der Straße hält uns beide zusammen. Braydon stupst mich mit dem Ellenbogen an und deutet nach vorne. Jetzt sehe ich es. Vor uns zweigt ein schwarzes Band ab. Die anderen Abfahrten, an denen wir bisher vorbeigekommen sind, waren kaum noch zu erkennen; die meisten davon waren von Unkraut überwuchert, das aus den Rissen im Asphalt spross. Die schwarze Linie verwandelt sich jedoch in eine Straße, als wir näher kommen. Sie wirkt fast wie ein Pfeil und scheint uns aufzufordern, ihr zu folgen.
    Wir fahren ab, und das Gefühl kehrt in meinen Körper zurück. Erst in diesem Moment wird mir klar, dass ich gerade angefangen hatte, dieses Niemandsland zu mögen, in dem Braydon und ich uns vorübergehend aufgehalten haben. Das tiefe, blubbernde Brummen des Motors. Das sonnenwarme Gefühl der Lederjacke an meiner Wange.
    Die Autobahn war offen und weit. Diese Straße hingegen, die nun durch einen Wald führt, scheint immer enger zu werden. Der schwarze, ölige Asphalt ist bald nur noch eine Autolänge breit. Hohe Bäume mit dicken Stämmen bilden eine ungleichmäßige Wand um uns herum. Die Äste strecken ihre verkrüppelten Finger über die Straße und sperren den Himmel aus. Die Sonne zwängt sich in dünnen Strahlen durch das Blätterdach, und wir brausen durch schmale Lichtsäulen.
    Zuerst ist mir das Geräusch nicht bewusst. Dann halte ich es für Einbildung. Doch als es lauter wird, begreife ich, dass es außerhalb von mir existiert. Braydon versteift sich; auch er hat etwas gehört. Ruckartig schaue ich mich um. Unser Gleichgewicht wird gestört, und die Maschine schwankt. Ich schmiege mich an Braydon, damit er das Bike stabilisieren kann, aber ich habe etwas hinter uns gesehen – einen Transporter, glaube ich. »Wir werden verfolgt«, brülle ich ihm ins Ohr und befürchte schon, dass der Fahrtwind meine Worte geschluckt hat, als Braydon endlich nickt. Als er beschleunigt, werde ich zurückgerissen. Ich vergrabe meine Finger in seiner Jacke, und er beugt sich mit mir vor. Der Lärm hinter uns wird lauter – der Wagen holt auf. Ich muss mich nicht erst umdrehen, um zu wissen, dass er riesengroß hinter uns aufragt. Wir geben Gas. Die Maschine zittert zwischen meinen Beinen, als würde sie jede Dichtung aufs äußerste strapazieren, um uns schneller und schneller voranzubringen.
    Braydon sucht nach einer Abzweigung, aber die Bäume sind wie eine Barriere um uns herum. Zentimeterweise steuert Braydon das Rad nach links. Es ist der falsche Winkel, um uns sicher über den Straßenrand zu bringen, doch ich muss ihm vertrauen. Dann legt er den Lenker nach rechts um. Wir heben ab, fliegen einen Moment lang durch die Luft und kommen krachend auf dem Boden auf. Nur durch Braydons Kraft und Geschick bleibt die Maschine in aufrechter Position. Er drosselt das Tempo, als er uns durch den Wald steuert. Der unebene Boden schüttelt uns durch. Braydon und ich sind nicht mehr im selben Rhythmus. Die Bäume sind so nah, dass ich ihre rauhe Rinde fast auf meiner Haut spüren kann. Ich sehe mich um. Der weiße Van hat auf der Straße angehalten. Vielleicht sind wir entkommen.
    Der

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