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Neva

Neva

Titel: Neva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Grant
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deine Hilfe. Aber ich habe eine größere Chance auf Erfolg, wenn wir zusammenarbeiten.«
    Über die Baumkronen hinweg starren wir in die Ferne. Ich lehne mich an ihn, und wir küssen uns wieder. Doch der Kuss ist nicht leidenschaftlich wie der in der vergangenen Nacht. Dieser Kuss ist ein trauriger und zärtlicher, er ist wie ein langes Lebewohl. Langsam löse ich mich von ihm. Ich darf meinen Gefühlen jetzt nicht nachgeben.
    »Okay, legen wir los«, sage ich, als ich meine Stimme wiederfinde. Dann gehen wir die einzelnen Schritte meines Plans wieder und wieder und wieder durch.
    Ich halte mich bereit. Ich kann das schaffen.
     
    Braydon rennt den Hügel hinauf. Die Sonne geht gerade unter und flackert in den Baumkronen hinter ihm auf. »Okay, Neva, der Transporter ist unterwegs.« Keuchend bricht er zu meinen Füßen zusammen. Er hat einen Aussichtspunkt auf einem anderen Hügel gefunden, von wo aus er die Straße einsehen kann. Nun ist er den ganzen Weg zu mir gerannt, um mir Bescheid zu geben. Wir haben den Plan immer wieder durchgesprochen, haben von nichts anderem mehr geredet und versucht, an alles zu denken.
    »Dann los. Es ist so weit.«
    Er drückt mich an sich. »Wir können immer noch einfach abhauen. Wir müssen das hier nicht durchziehen.«
    Aber ich darf jetzt auf keinen Fall weich werden oder Angst bekommen. So vieles bleibt unausgesprochen in der Luft zwischen uns hängen. Ich küsse ihn ein letztes Mal und laufe davon.
     
    Vom Hang aus behalte ich die Wachen im Auge. Ich passe genau den richtigen Moment ab und schleiche mich hinter das scheunenartige Gebäude. Schon höre ich Rufe.
    Unwillkürlich sehe ich zu der Stelle, an der ich Braydon zurückgelassen habe. Eine Säule aus schwarzem Rauch steigt in den Himmel auf. Wir haben den Plan in die Tat umgesetzt, und bisher läuft alles so, wie wir es uns vorgestellt haben. Braydon hat das Feuer gelegt, um die Wachen abzulenken. Ich presse mich flach an das Holzhaus und zähle: Eins, zwei, drei, vier, fünf Wachleute stürmen den Hügel hinauf. Das sind alle Posten, die im Augenblick hier draußen Dienst haben. Meine Gedanken fliegen zu Braydon. Ich bete, dass alles gutgeht und er wohlauf ist. Er sollte das Feuer legen, sich mit dem Motorrad in Sicherheit bringen und anschließend auf ein Zeichen von mir warten.
    Vorhin haben wir einen Graben um die Hütte gezogen – die Hütte, die eine einzige Nacht lang unser Zuhause gewesen ist. Das Holz war trocken und das Dickicht, unter dem sie verborgen war, spröde. In einer Satteltasche des Motorrads fand Braydon eines von Sannas Feuerzeugen, und wir hofften darauf, dass sich noch ein oder zwei Funken herausholen lassen würden. Das Feuerzeug war ein altes weißes Plastikteil, auf dem ein verblasstes Smiley prangte.
    Mir ist heiß, und ich schwitze. Allerdings ist nicht das Feuer, das Braydon gelegt hat, schuld daran. Ich bin nie zuvor gleichzeitig so verängstigt und aufgeregt gewesen. Immer wieder spiele ich in meiner Fantasie durch, was alles geschehen kann.
    Ein Mädchen schreit. Ich blicke nach links, dann nach rechts. Die Luft ist rein. Ich haste hinter das Steingebäude und spähe um die Ecke. Vier Mädchen in meinem Alter steigen hinten aus dem weißen Transporter. Dankbar sehe ich, dass sie ganz normale Alltagskleidung tragen. Von der Hügelkuppe aus habe ich das nicht erkennen können. So ist es leicht möglich, dass ich als eine von ihnen durchgehe.
    Eins der Mädchen weint unkontrolliert. Es hat den Mund unnatürlich weit aufgerissen und schlägt nach den anderen. Ein Mädchen verpasst der Hysterischen eine Ohrfeige. Das klatschende Geräusch lässt mich zusammenzucken.
    Die Mädchen starren einander schockiert an. Sie scheinen erst jetzt zu bemerken, dass niemand sie bewacht. Eins zeigt in Richtung Feuer. Die Wachleute sind im Wald verschwunden. Das Mädchen, das eben noch hysterisch war, fasst sich wieder, schnieft, wischt sich die Augen. Und plötzlich rennt es davon in den Wald, weg von dem Feuer, weg vom Transporter.
    Die anderen rufen nach dem Mädchen und sehen sich an wie Welpen, die darauf warten, dass das Herrchen einen Befehl gibt. Ein weiterer Wachmann taucht aus dem Inneren des Gebäudes auf und läuft der Flüchtenden in den Wald hinterher.
    Das ist meine Chance.
    Ich biege um die Ecke und trete hinaus auf den Platz. Obwohl meine Beine zittern, schlendere ich zu den anderen Mädchen hinüber. Ihre Blicke schießen von mir zum Gebäude und zurück, aber niemand sagt etwas. Ich

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