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Nevada Pass

Nevada Pass

Titel: Nevada Pass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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Mörder, Brandstifter, Dieb, Betrüger und Feigling ist, kann es Sie doch nicht im Ernst überraschen, wenn er sich auch noch als Lügner entpuppt. Und wenn es Sie doch ernsthaft überrascht, dann spricht das nicht für Ihre Intelligenz.« Er hatte die Fesseln entfernt, trat mit noch etwas wackeligen Beinen auf Marica zu und nahm ihr die Pistole aus der Hand – er besaß genug Menschenkenntnis, um zu sehen, wenn jemand gar nicht vorhatte zu schießen.
    Er drückte sie behutsam in einen Sessel, legte ihr die kleine Pistole in den Schoß, humpelte zu seinem Sessel und ließ sich mit einem erleichterten Seufzer hineinfallen. »Nur die Ruhe, Lady. Es sieht ganz so aus, als sei ich gar nicht in der Lage zu fliehen. Wollen Sie meine Fußgelenke sehen?«
    »Nein!« Offenbar kochte sie vor Wut über ihre eigene Unentschlossenheit.
    »Da geht es Ihnen wie mir. Lebt Ihre Mutter noch?«
    »Meine Mutter –?« fragte sie entgeistert. »Was hat das denn mit Ihnen zu tun?«
    »Ich mache Konversation. So gehört sich das doch bei wohlerzogenen Leuten, oder?« Er rappelte sich mühsam aus dem Sessel hoch und ging mit dem Glas in der Hand so vorsichtig auf und ab, als habe er rohe Eier unter den Füßen. »Nun, lebt sie noch?«
    »Ja.«
    »Aber es geht ihr nicht gut?«
    »Woher wollen Sie das wissen? Und was geht es Sie überhaupt an?«
    »Nichts. Ich bin lediglich von einer unstillbaren Neugier besessen.«
    »Was für eine gewählte Ausdrucksweise!« spottete Marica.
    »Ich darf Sie daran erinnern, daß ich früher an einer Universität gelehrt habe. Es ist sehr wichtig, den Studenten den Eindruck zu vermitteln, daß man klüger sei als sie. Und eine gewählte Ausdrucksweise hilft einem dabei. Also, Ihrer Mutter geht es nicht gut. Wenn es ihr gut ginge, würde ja wohl sie zu Ihrem Vater fahren. Ich wundere mich übrigens sehr, daß Sie nicht bei Ihrer kranken Mutter geblieben sind. Und es kommt mir auch sehr seltsam vor, daß Sie die Erlaubnis bekommen haben, zu Ihrem Vater zu fahren, obwohl im Fort die Cholera herrscht und die Indianer alles andere als umgänglich sind. Finden Sie das nicht auch alles etwas merkwürdig, Miss Fairchild? Ihr Vater muß sehr schwerwiegende Gründe dafür gehabt haben, Sie um Ihr Kommen zu bitten. Erfolgte die Einladung brieflich?«
    »Ich brauche Ihre Fragen nicht zu beantworten!«
    »Natürlich nicht. Aber Sie werden es tun! Zusätzlich zu all meinen übrigen Fehlern bin ich nämlich auch noch penetrant hartnäckig. Also wie war das? Bekamen Sie einen Brief? Nein, natürlich nicht. Alle dringenden Mitteilungen kommen per Telegraph.« Er wechselte abrupt das Thema: »Sie kennen Ihren Onkel und Major O'Brien sehr gut, nicht wahr?«
    »Jetzt reicht es aber allmählich«, fauchte Marica. »Ich finde es unglaublich …«
    »Schon gut, schon gut!« Deakin leerte sein Glas, setzte sich wieder und machte sich daran, sich die Füße zu fesseln. »Das war alles, was ich wissen wollte.« Er stand auf, reichte Marica ein Stück Schnur und drehte sich mit den Händen auf dem Rücken zu ihr um. »Wenn Sie so freundlich sein wollen – aber diesmal bitte nicht ganz so fest.«
    Marica sagte langsam: »Warum interessiert Sie das alles, warum machen Sie sich Gedanken über mich. Sie haben doch mit sich selbst weiß Gott genug zu tun …«
    »Das habe ich, mein Kind, das habe ich. Ich versuche nur, mich von meinen eigenen Sorgen und Schwierigkeiten abzulenken.« Er zuckte, als sie die Schnur um seine entzündeten Handgelenke zusammenzog. »Langsam! Vorsichtig!« protestierte er.
    Sie gab keine Antwort. Schweigend beendete sie ihre Arbeit, half Deakin, sich hinzulegen und verließ wortlos das Abteil. In ihrer Kabine schloß sie leise die Tür hinter sich, dann blieb sie längere Zeit auf ihrem Bett sitzen und starrte nachdenklich ins Leere.
    Auch Banlon, der Lokomotivführer, der in dem vom rötlichen Schein des Feuers erhellten Führerhaus stand, machte ein nachdenkliches Gesicht, während er seine Blicke von den Kontrollgeräten immer wieder zum Himmel und zu dem vor ihm liegenden Schienenstrang wandern ließ. Die schwarze Wolkenwand, die sich mit beträchtlicher Geschwindigkeit nach Osten schob, verdunkelte bereits mehr als die Hälfte des Himmels. In kürzester Zeit würde es dunkel sein – jedenfalls soweit das im Hochland möglich war, wo die Berge und die Kiefern – und in zunehmendem Maße auch die Erde – von einem weißen Tuch bedeckt waren.
    Jackson, der Heizer, hätte Banlons Zwillingsbruder sein

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