Nevada Pass
unhandlichen Sendeapparat heran.
»Sagen Sie mir Bescheid, wenn wir anfangen können«, sagte Claremont.
Zwei Minuten später waren die Vorbereitungen beendet. Ferguson hockte auf einer Sofalehne, und von dem Sendegerät vor ihm führte ein Kabel durch das spaltbreit geöffnete Fenster nach draußen. Claremont wischte die beschlagene Scheibe ab und blickte hinaus: Das Kabel führte zur Spitze eines Telegraphenmastes, an dem Brown in einem Gürtel hing. Er war mit seiner Arbeit fertig, blickte nach unten und winkte. Claremont wandte sich an Ferguson: »So. Zuerst das Fort.«
Ferguson sendete dreimal hintereinander das Rufsignal. Unmittelbar darauf drangen leise Morsezeichen an sein Ohr. Ferguson gab die Nachricht weiter: »Sie holen Colonel Fairchild, Sir.«
Während sie warteten, betrat Marica, dicht gefolgt von Reverend Peabody, das Abteil. Peabody machte wie üblich den Eindruck, als käme er gerade von einer Beerdigung und sah aus, als habe er eine sehr schlechte Nacht hinter sich. Marica warf einen kurzen, ausdruckslosen Blick zu Deakin hinüber und wandte sich dann an ihren Onkel: »Wie steht es?«
»Wir haben Verbindung mit Fort Humboldt, meine Liebe«, sagte der Gouverneur. »In einer Minute wissen wir mehr.«
Aus den Kopfhörern drangen erneut schwache Morsezeichen. Ferguson schrieb hastig, aber sorgfältig mit, riß das Blatt von seinem Block und reichte es Claremont.
Mehr als eine Tagesreise entfernt hinter den Bergen hatten sich im Telegraphenraum von Fort Humboldt acht Männer versammelt. In einem Drehstuhl hinter einem prächtigen Mahagonischreibtisch mit lederbezogener Platte lümmelte ein Mann, dessen Position man schon daran erkennen konnte, daß er seine Füße, die in verdreckten Reitstiefeln steckten, auf die Schreibtischplatte gelegt hatte. Die Sporen hatten häßliche Spuren in dem Leder hinterlassen, aber das schien ihren Träger nicht zu stören. Aber das war nicht weiter überraschend, denn er sah nicht so aus, als habe er auch nur das mindeste Gefühl für Ästhetik. Selbst wenn er saß, sah man, daß er groß und kräftig war. Die zerschlissene Jacke aus Rehleder sah aus, als würde sie jeden Augenblick von den mächtigen Schultern gesprengt, um die Hüften trug er einen breiten Gürtel, den zwei Peacemaker Colts schwer nach unten zogen, und auf seinem Kopf saß ein uralter Stetson. Das Gesicht mit den hohen Backenknochen, der Hakennase und den kalten grauen Augen wurde von Bartstoppeln verunziert, die mindestens eine Woche alt waren. Man hatte das Gefühl, einen unbarmherzigen Desperado vor sich zu haben – und genau dieses war Sepp Calhoun auch tatsächlich!
Neben dem Tisch saß ein Mann in der Uniform der US-Kavallerie, und einige Schritte weiter hockte ein anderer Soldat vor dem Telegraphen. Calhoun wandte sich an den Mann neben sich:
»Na, Carter, dann wollen wir mal sehen, ob Simpson wirklich die Mitteilung durchgegeben hat, die ich ihm aufgetragen habe.«
Carter reichte ihm stirnrunzelnd das Blatt Papier, auf dem die Nachricht stand. »Drei weitere Fälle«, las Calhoun laut. »Keine Toten mehr. Hoffe, Seuche hat Höhepunkt überschritten. Erbitte voraussichtliche Ankunftszeit.« Er sah den Funker an. »Gut, daß Sie klug genug sind, um nicht überschlau sein zu wollen, Simpson. Keiner von uns kann es sich leisten, einen Fehler zu machen, stimmt's?«
Im Tagesabteil des Truppentransportzuges hatte Colonel Claremont gerade die gleiche Botschaft gelesen. Er legte den Zettel beiseite und sagte: »Nun, das nenne ich gute Nachrichten. Wann werden wir da sein?« Er warf O'Brien einen fragenden Blick zu. »Ungefähr?«
»Diese schwerbeladenen Waggons mit einer einzigen Lok?« O'Brien überlegte kurz. »In dreißig Stunden, würde ich sagen, Sir. Ich kann ja Banlon noch mal fragen.«
»Nicht nötig.« Er wandte sich an Ferguson: »Geben Sie ihnen Bescheid –«
Marica sagte: »Mein Vater –«
Ferguson nickte und begann zu senden. Er hörte sich die Antwort an, nahm die Kopfhörer ab, blickte auf und sagte: »Erwarten Sie morgen nachmittag. Colonel Fairchild gesund.«
Marica lächelte erleichtert, und Pearce fragte Ferguson: »Könnten Sie dem Colonel mitteilen, daß ich auch mit diesem Zug komme und Sepp Calhoun festnehmen werde?«
Sepp Calhoun lächelte ebenfalls, aber nicht erleichtert – boshaftes Vergnügen glitzerte in seinen Augen, als er den Zettel mit der soeben eingegangenen telegraphischen Mitteilung an einen grauhaarigen und graubärtigen, hochgewachsenen
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