Nevada Pass
hängte den Mantel an einen Haken im Gang vor den Schlafkojen der Offiziere und ging weiter, wobei er prüfend die Luft durch die Nase einsog. Schließlich blieb er stehen und blickte durch eine offenstehende Tür zu seiner Rechten.
Die Kombüse war klein, aber peinlich sauber, und auf dem Herd standen zahlreiche Töpfe, in denen es kochte und brodelte. Der bis zu der hohen weißen Mütze vorschriftsmäßig gekleidete Koch erwies sich als Neger, dessen Bauch die beste Reklame für seine Kochkünste war. Er lächelte Deakin mit makellos weißen Zähnen an.
»Guten Morgen, Sir.«
»Guten Morgen. Sie sind sicher Carlos, der Koch.«
»Stimmt.« Carlos strahlte. »Und Sie sind sicher Mr. Deakin, der Mörder. Sie kommen gerade rechtzeitig für eine Tasse Kaffee, Sir.«
Banlon stand mit Claremont auf der Plattform der Lokomotive und inspizierte den Tender. Schließlich beugte er sich hinaus und rief: »Das reicht. Vielen Dank.«
Sergeant Bellew hob bestätigend die Hand, drehte sich um und sagte etwas zu seinen Männern, die sich sofort dankbar auf den Weg zu ihren Waggons machten und binnen weniger Sekunden von dem wirbelnden Schneetreiben verschluckt wurden.
»Können wir weiterfahren, Banlon?« fragte Claremont.
»Sobald dieser Schneeschub vorüber ist, Colonel.«
»Natürlich. Übrigens – Sie wollten doch, daß der Bremser Sie ablöst. Das wäre jetzt ein guter Zeitpunkt.«
»Ich wollte zwar abgelöst werden«, sagte Banlon, »aber gerade jetzt wäre es denkbar ungünstig, Sir. Für die nächsten vier Kilometer muß Devlin unbedingt auf seinem Platz bleiben.«
»Für die nächsten vier Kilometer?«
»Ja. Bis wir auf dem Hangman's Pass sind. Jetzt kommt nämlich das steilste Stück der ganzen Strecke.«
Claremont nickte: »Ja, in diesem Fall könnte ein Bremser wirklich nützlich sein.«
5
F ort Humboldt lag am oberen Ende eines schmalen, felsigen Tals, das im Westen in eine Ebene überging. Die strategische Lage des Forts war hervorragend. Hinter ihm, im Norden, ragte ein steiler Fels auf. Im Osten und Süden wurde es von einer schmalen, aber sehr tiefen Schlucht begrenzt, deren östlichen Arm eine Eisenbahnbrücke überspannte. Die Bahnlinie selbst verlief vor dem Fort von Westen nach Osten und führte durch das gewundene Tal in die dahinterliegende Ebene hinaus. Vom Verteidigungsstandpunkt aus hätte Fort Humboldt nicht günstiger gelegen sein können. Es war nur über die Brücke oder durch das Tal zu erreichen, und in diesen beiden Richtungen war es für eine kleine Gruppe mutiger und gut verschanzter Männer ein leichtes, auch eine große Übermacht von Angreifern abzuwehren.
Architektonisch betrachtet wies das Fort nicht die geringsten Anzeichen von Einfallsreichtum auf. Es war Jahre vor der Fertigstellung der Union Pacific Railway anno 1869 erbaut worden, und zwar ausschließlich aus lokalem Baumaterial, das die reichlich vorhandenen Kiefernwälder in unbegrenzten Mengen lieferten. Die hölzerne Einfriedung war in der üblichen Form eines Quadrates gebaut und besaß etwa einen Meter unterhalb der Pfahlspitzen einen umlaufenden Steg. Das schwere Tor gegenüber der Eisenbahn und dem Fluß, der sich durch das Tal hinabschlängelte, öffnete sich nach Süden. Rechts neben dem Tor lag im Innern der Umzäunung das Wachtgebäude und auf der linken Seite das Depot für Waffen, Munition und Sprengstoff. Die ganze östliche Seite nahmen die Pferdestallungen ein. Gegenüber lagen die Mannschaftsquartiere und die Feldküche. Auf der nördlichen Seite befanden sich die Offiziersquartiere, die Verwaltung und das Telegraphenbüro, die Krankenstation und einige Räume für die Reisenden, die ausnahmslos erschöpft in Fort Humboldt Station machten – wenn sie es erreichten, hatten sie auf jeden Fall einen sehr weiten Weg hinter sich.
Auch jetzt näherte sich dem Fort von Westen her eine Gruppe Reisender, die sich offenbar nichts sehnlicher wünschte, als die Vorzüge eines Daches über dem Kopf und eines warmen Essens zu genießen. Es waren Indianer, die sich in dem vergeblichen Versuch, sich gegen die schneidende Kälte und den fallenden Schnee zu schützen, bis über die Ohren in ihre Kleidungsstücke gewickelt hatten. Sie wirkten müde, aber nicht so erschöpft wie ihre Pferde, die sich nur langsam durch den tiefen Schnee schleppten. Nur der Anführer, ein ungewöhnlich hellhäutiger und auffallend gutaussehender Indianer, schien nicht müde zu sein – er saß kerzengerade im Sattel. Aber das tat der
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