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Nevada Pass

Nevada Pass

Titel: Nevada Pass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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Colonel.« Und wenn man ihn ansah, glaubte man ihm das auch: Er war leichenblaß, hatte dunkle Ringe unter den Augen, und selbst der prächtige weiße Bart konnte die eingefallenen Wangen nicht vertuschen. Seine Ähnlichkeit mit Buffalo Bill wurde zusehends geringer. »Was für eine entsetzliche Reise! Was für eine schreckliche Reise! All diese prachtvollen Soldaten tot! Captain Oakland und Lieutenant Newell vermißt – wahrscheinlich auch längst tot! Und Dr. Molyneux ermordet! Und der Marshal hat keine Ahnung, wer – wer – mein Gott! Vielleicht ist der Mörder sogar hier in diesem Raum!«
    »Die Chancen stehen zehn zu eins dagegen«, beruhigte ihn Pearce. »Es ist viel wahrscheinlicher, daß er unten in der Schlucht liegt.«
    »Woher wollen Sie das wissen?« Der Gouverneur schüttelte langsam und verzweifelt den Kopf. »Was für eine grauenvolle Reise! Ich habe das Gefühl, es ist nur eine Frage der Zeit, wann das nächste Unglück geschieht.«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Pearce. »Aber nach Henrys Gesichtsausdruck zu urteilen, ist es bereits geschehen.«
    Henry war mit schreckgeweiteten Augen in den Salon gestürmt und stieß mit heiserer Stimme hervor: »Ich kann ihn nicht finden, Sir. Er ist nicht in seiner Schlafkabine!«
    Gouverneur Fairchild stöhnte hörbar. Er und Claremont tauschten einen ahnungsvollen Blick. Deakins Gesicht erstarrte für einen Augenblick, aber gleich darauf entspannte er sich wieder und sagte leichthin: »Weit kann er nicht sein – ich habe erst vor einer Viertelstunde mit ihm gesprochen.«
    »Das habe ich gesehen«, bestätigte Pearce säuerlich. »Worum ging's denn?«
    »Er versuchte meine Seele zu retten«, erklärte Deakin. »Selbst meine Erklärung, daß Mörder keine Seele haben, konnte ihn nicht …«
    »Schweigen Sie!« fuhr Claremont ihn an. »Den Zug durchsuchen!«
    »Und anhalten, Sir?« fragte O'Brien.
    »Anhalten? Wozu?«
    »Vielleicht ist er noch im Zug. Vielleicht aber auch nicht. Und wenn nicht, muß er irgendwo auf der Strecke liegen – in eine Schlucht kann er nicht gestürzt sein, denn wir sind in der letzten Stunde an keiner vorbeigekommen. Falls wir ihn draußen suchen müssen, werden wir ein ganz schönes Stück zurückfahren müssen, und jeder Meter, den wir weiterfahren –«
    »Sie haben recht! Henry, geben Sie Banlon Bescheid.«
    Henry rannte nach vorn, während Claremont, der Gouverneur, O'Brien und Pearce sich ans Zugende begaben. Deakin blieb, wo er war, er hatte offenbar nicht die Absicht, irgendwohin zu gehen. Marica starrte ihn mit kalten Augen an, und als sie schließlich die fest aufeinandergepreßten Lippen öffnete, war auch nicht eindeutig festzustellen, ob in ihrer Stimme die Feindseligkeit oder die Fassungslosigkeit überwog: »Er kann krank sein, verletzt – vielleicht liegt er sogar im Sterben! Und Sie bleiben einfach sitzen! Wollen Sie den anderen denn nicht suchen helfen?«
    Deakin lehnte sich behaglich zurück, schlug die Beine übereinander, zündete sich eine Zigarre an und fragte erstaunt: »Ich? Bestimmt nicht! Was geht er mich an? Oder ich ihn? Zum Teufel mit Peabody!«
    »Aber er ist so ein netter kleiner Mann!« Es war schwer zu sagen, worüber Marica mehr entsetzt war – über seine Pietätlosigkeit oder über seine Gleichgültigkeit. »Er hat sich doch zu Ihnen gesetzt und mit Ihnen geredet.«
    »Ich hatte ihn nicht dazu aufgefordert.«
    Marica sagte fassungslos und jedes Wort betonend: »Es ist Ihnen einfach gleichgültig!«
    »So ist es.«
    »Der Marshal hatte recht! Ich hätte auf ihn hören sollen! Hängen ist eine viel zu humane Todesart für Sie! Sie sind der gemeinste und selbstsüchtigste Mensch, den ich je kennengelernt habe!«
    »Ein negativer Superlativ ist immer noch besser als gar keiner«, sagte Deakin gleichmütig. »Dabei fällt mir etwas ein, das auch eine Superlativbezeichnung verdient – allerdings eine positive.« Er stand auf. »Der Whisky des Gouverneurs. Ungestörter als jetzt werde ich ihn wohl kaum noch genießen können.«
    Er trat auf den Gang hinaus und steuerte auf das Tagesabteil zu. Auf Maricas Gesicht mischte sich Zorn mit Verwirrung. Eine Zeitlang verharrte sie regungslos auf ihrem Platz, dann stand sie auf und ging leise hinter Deakin her. Als sie die Tür zum Tagesabteil erreicht hatte, stand er vor dem Barschrank, goß Whisky in ein Glas und leerte es in einem Zug. Marica sah verblüfft zu, wie Deakin das Glas erneut füllte. Wieder nahm er einen kräftigen Schluck, trat ans

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