Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
und wieder eingegangen. Ohne uns zu fragen ließ Epiny Celestes Zaum los, sodass sie sich frei auf dem bräunlichen Grund bewegen konnte.
    »Wir können nicht lange hier bleiben«, wandte ich ein, aber sie beachtete mich nicht. Stattdessen setzte sie sich auf eine der halb vom Gras überwucherten Grundmauern und schaute hinaus über den Fluss. Es war klar, dass dies nicht das erste Mal war, dass sie und Celeste hierherg e kommen waren. Ich setzte mich neben sie, und Spink nahm neben mir Platz. Sie erschien mir von einer plötzl i chen Melancholie heimgesucht, und obwohl ich es besser wusste, empfand ich Mitleid mit ihr. Auf einmal kam sie mir so einsam vor, so verloren. Mit ganz sanfter Stimme sagte ich zu ihr: »Epiny, ich verstehe zwar nicht, warum der Gedanke an deine Zukunft dich unglücklich machen sollte, aber ich sehe, dass er es tut. Und das tut mir leid. Das Leben kommt einem manchmal schwer vor, aber wir müssen alle die Rolle akzeptieren, die der gütige Gott uns zugewiesen hat.«
    Ich glaube nicht, dass sie meine Worte überhaupt wahrnahm. Sie zog die Nase hoch und nahm eine etwas aufrechtere Sitzposition ein. »Gut. Wir alle wissen, was wir jetzt tun müssen, nämlich: herausfinden, was genau da eigentlich gestern Abend passiert ist. Wir sollten noch eine Seance abhalten.«
    »Dazu haben wir keine Zeit mehr«, erwiderte ich s o fort. »Spink und ich müssen heute Nachmittag zurück in die Akademie. Wir sollten deshalb jetzt möglichst schnell zu dir nach Hause reiten. Spink und ich müssen noch packen, und dann müssen wir auch schon bald aufbr e chen. Wir müssen vor Einbruch der Dunkelheit wieder in der Akademie sein. Da bleibt keine Zeit mehr für eine weitere Seance.«
    »Natürlich nicht. Ich meinte auch, jetzt sofort, und zwar hier. Deshalb habe ich euch ja überhaupt hierherg e führt. Hier sind wir unter uns, völlig ungestört.«
    Darauf war ich nun wirklich nicht vorbereitet. »Aber … aber es ist helllichter Tag!«, stotterte ich. »Und ich dachte immer …«
    »Du dachtest, ich müsste erst irgendetwas vorbereiten, irgendwelche Tricks, möglichst im Dunkeln. Da hast du dich getäuscht, Nevare. Das brauche ich nicht. Das ist ja genau das, was mich an diesem ›Talent‹, das ich da zu haben scheine, so beunruhigt. Seit jener ersten Seance mit der Ratgeberein Porilet geht es mir ganz leicht von der Hand. Es kommt mir vor, als habe sie ein Fenster in meiner Seele geöffnet, und ich weiß nicht mehr, wie ich es wieder schließen soll. Seitdem habe ich das Gefühl, ich müsse ständig Wache halten zwischen meinen G e danken und jener anderen Welt. Diese Anderen stehen dort, direkt hinter meiner Schulter, am äußersten Rande meines Gesichtsfeldes, und warten auf eine Gelegenheit, durch mich zu sprechen. Sie stemmen sich beständig g e gen meine Grenzen.«
    »Das klingt sehr unangenehm«, sagte Spink. Er beugte sich um mich herum, um Epiny beim Sprechen ansehen zu können.
    Sie machte ein verblüfftes Gesicht. »Es überrascht mich, dass du das verstehst!«, rief sie und bestürzte mich, indem sie hinzufügte: »Oh. Ich wollte nicht unhöflich sein, als ich das sagte. Es ist nur so, dass ich mich schon so sehr daran gewöhnt habe, dass die Leute sagen: ›Ich habe keine Ahnung, wovon du da redest.‹ Sogar meine Mutter, die mich überhaupt erst zu dieser ersten Seance mitgenommen hat, sagt das. Wisst ihr, ich bin nicht s i cher, dass sie an das glaubt, was die Ratgeberin Porilet tut. Ich fürchte, sie denkt, es ist bloß ein Spiel, eine Zi r kusnummer, die sie darbietet, um die Gunst der Königin zu erringen.« Auch sie lehnte sich ein Stück vor, um an mir vorbei mit Spink sprechen zu können. Ich stand auf und trat ein Stück beiseite, um nicht wie ein Störenfried zwischen ihnen zu hocken, während sie sich unterhielten. Epiny rutschte sofort ein Stück näher an ihn heran, streckte ihm die Hand hin und sagte: »Ich weiß, dass das, was wir tun, real ist. Ich glaube, du weißt es auch. Sollen wir es hier und jetzt noch einmal versuchen?«
    »Was sollen wir versuchen?«, fragte er. Ein ziemlich törichtes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, wie eine Art schleichender Ausschlag.
    »Eine Seance, was sonst? Nevare, komm her und fass uns bei den Händen. Nein, wartet, wir machen das a n ders. Gestern Nacht war etwas sehr Dunkles und Mächt i ges am Werk. Wenn ich von Geistern bestürmt werde, möchte ich nicht vor Schreck von der Mauer fallen. S u chen wir uns lieber ein gemütliches

Weitere Kostenlose Bücher