Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
Hand ein wenig. »Epiny?«
Irgendetwas oder irgendjemand anderes nahm von ihr Besitz. Er oder es – oder sie? – schlüpfte nicht in sie hi n ein, wie es die Frau getan hatte. Es packte sie so hart und so fest, dass ihr Körper sich in seinem Griff aufbäumte und wand. Ihr Griff um meine Hand wurde so fest, dass es wehtat, und ich hörte, wie Spink ebenfalls einen u n terdrückten Schmerzlaut von sich gab. Als sie das G e sicht hob und mir in die Augen blickte, zuckte ich z u rück, als fürchte ich mich vor ihrem lodernden Blick. Die Baumfrau schaute mich aus dem Gesicht meiner Base an. Die kahle Stelle auf meinem Kopf begann zu kribbeln, und dann brannte sich ein sengender Schmerz durch mich hindurch, vom Kopf bis zur Wurzel meiner Wirbelsäule. Der Schmerz war so heftig, dass er mich lähmte.
»Ich habe dich nicht gerufen!«, sagte sie voller Ve r achtung. »Du bist h ier nicht willkommen, solange ich dich nicht rufe! Warum willst du zu mir kommen? Trac h test du danach, ihr meine Magie zu geben? Glaubst du, du kannst unsere Magie berühren, ohne selbst von ihr berührt zu werden? Magie ist gefährlich, Soldatenjunge. Magie mag geben, aber sie nimmt auch immer. Du schickst diese Kleine in meine Welt, ohne dir Gedanken um sie zu machen. Was ist, wenn ich beschließe, sie zu behalten, Soldatenjunge? Würde dich das lehren, dass du besser daran tätest, nicht mit meinem Zauber zu spielen? Bleib fest, sagst du, und machst unser Zeichen, um ihn zu beschwören? Bleib in der Tat fest.« Epiny ließ meine Hand abrupt los. Mir wurde schwindlig, als hinge ich über einem Abgrund mit Spinks Hand als einzigem Halt. Zu meinem Entsetzen beschrieb ihre freie Hand das kle i ne Zeichen über ihrer anderen Hand, die Spinks Hand hielt, das Zeichen, das jeder gute Kavallamann über se i nem Sattelgurt machte, damit er hielt. Die Baumfrau sah mich aus Epinys Augen an und lächelte ihr wissendes Lächeln. »Wenn die Zeit kommt, werde ich dir zeigen, was ›bleib fest‹ bedeutet, Soldatenjunge.«
Dann wurde Epiny plötzlich schlaff, und ihre Hand glitt aus Spinks Hand, als sie in sich zusammensackte. Spink ließ blitzschnell meine Hand los und hielt Epiny bei den Schultern fest, um zu verhindern, dass sie mit dem Gesicht auf dem Boden aufschlug. Er zog sie hoch, sodass sie gegen ihn lehnte, und schaute mich mit ba n gem Gesicht an.
»Ist sie tot?«, fragte ich dumpf. Ich war überrascht, dass die Worte aus meinem Mund kamen. Nur allmählich erlangte ich die Herrschaft über meinen Körper zurück. Er fühlte sich an wie eine eingeschlafene Hand, in die kribbelnd das Leben zurückkehrt.
»Nein, nein, sie atmet. Was ist passiert, Nevare? Was war das? Was meinte sie?«
»Ich weiß es nicht«, sagte ich, und das war nicht gel o gen, denn ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wie ich ihm das alles erklären sollte. Ein Wesen, von dem ich geträumt hatte, schien in meine Base gefahren zu sein und bedrohte mich durch sie. Mir war schwindelig. Ich fasste mir mit beiden Händen an die Schläfen, als könne ich damit das wilde Kreisen in meinem Kopf zum Stil l stand bringen. Eine meiner Fingerspitzen berührte dabei die alte Narbe auf meinem Kopf. Sie war heiß und schmerzte höllisch. Meine Erinnerung an die Verletzung war plötzlich wieder ganz frisch, als wäre es gerade erst geschehen. Ich schloss die Augen und schüttelte den Kopf, in dem Versuch, die Erinnerung abzuschütteln, von mir zu stoßen, aber sie wollte nicht weggehen. Sie drohte einen Riss in mein normales und vernünftiges Leben zu sprengen. Nur ein Wahnsinniger hätte irgendeinen Sinn in dem finden können, was geschehen war. Ich wollte nicht wahnsinnig werden, also konnte ich nicht ernsthaft über diese Dinge nachdenken oder ihnen gestatten, B e deutung in meinem Leben zu erlangen. Ich erhob mich mit wackligen Beinen und taumelte schwer atmend von den beiden weg. Plötzlich war ich wütend, auf Epiny und auf mich selbst, weil ich zugelassen hatte, dass meine seltsamen Träume und Erlebnisse meiner Realität um diesen einen Schritt hatten näherkommen können. Und ich war wütend, dass Spink Zeuge all dessen geworden war. »Ich wünschte, ich hätte mich nie von ihr zu diesem Blödsinn mit den Seancen überreden lassen!«, schimpfte ich.
»Ich glaube nicht, dass das fauler Zauber war, Nev a re«, sagte Spink mit entschiedener Stimme, als hätte ich behauptet, es sei welcher. Er hielt meine Base immer noch in den Armen. Sein Gesicht war blass, seine So m mersprossen
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