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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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begrüßten Oron und Caleb. Die beiden saßen am Arbeit s tisch und machten ihre Hausaufgaben. Sie erzählten uns von ihrem Besuch bei Orons Tante, die in ihrem Haus eine musikalische Zusammenkunft veranstaltet hatte. Oron und Caleb sprudelten über von Geschichten von lästerlichen Liedern, gewagten Tänzen und einer jungen Frau, die sie beide in derselben Nacht verführt hatte, o h ne dass einer vom anderen wusste. Noch immer waren sie ganz aufgeregt, verblüfft, schockiert und entzückt, dass sie eine derart phantastische Geschichte zu erzählen hatten. Dagegen nahmen sich die Geschichten aus Calebs Groschenromanen geradezu fad aus.
    Ich war fast erleichtert, dass sie uns keinen Raum li e ßen, von unseren eigenen Erlebnissen außerhalb der Akademie zu berichten. Spink und ich wollten uns noch vor dem Abendessen hinsetzen und unsere Hausaufgaben fertig machen. Aber als wir die Tür zu unserer Stube öf f neten, bot sich uns ein Bild der Verwüstung.
    Meine Koje war umgekippt worden, und alle meine Bücher lagen auf dem Fußboden verstreut. Meine sor g fältig gebügelten und gebürsteten Uniformteile lagen überall im Zimmer herum. Sie sahen aus, als hätte j e mand sie auf den Boden geworfen und dann auf ihnen herumgetrampelt. Auf dem Rücken meiner Jacke war deutlich ein schmutziger Fußabdruck zu erkennen. Spinks Sachen war es nicht besser ergangen. Von den anderen Kojen war das Bettzeug heruntergerissen und überall im Raum verteilt worden, nur Natreds und Korts Bücher und Habseligkeiten waren noch an ihrem Platz im Regal. Wer immer dies angerichtet hatte, er hatte es in erster Linie auf Spink und mich abgesehen. Spink fand als Erster seine Sprache wieder. Er begann wild zu fl u chen, mit einer Stimme, die ganz leise war und ganz a n ders klang als normalerweise. Ich ging zurück in den Gemeinschaft s raum und rief Oron und Caleb. Sie kamen sofort, aufg e scheucht von meinem erregten Ton, und blieben e r schrocken in der Tür stehen, als sie die Besch e rung sahen.
    »Irgendeine Idee, wer das gewesen sein könnte?«, fragte ich sie.
    Oron antwortete als Erster. »Wir sind erst vor ung e fähr einer Stunde nach Haus Carneston zurückgeko m men. Und ich hatte keinen Grund, hier hineinzugehen.« Er schaute Caleb an.
    Caleb war genauso verwirrt. »In unserem Zimmer war alles in Ordnung, als wir unsere Sachen auspackten. Niemand hatte etwas angerührt.«
    »Schauen wir im anderen Zimmer nach«, schlug Spink vor.
    In dem Zimmer, das Gord sich mit Rory und Trist tei l te, waren Gords Bettzeug und seine Sachen die einzigen, an denen sich jemand zu schaffen gemacht hatte. Das Durcheinander dort war noch schlimmer als in unserem Zimmer: Gords Bücher und seine Habseligkeiten waren auf dem Fußboden auf seinem Bettzeug zu einem Haufen aufgeschichtet worden, und jemand hatte auf sie uriniert. Der Gestank in dem geschlossenen Raum war überwält i gend. Wir sahen zu, dass wir schnell wieder nach dra u ßen kamen.
    »Ich melde das Sergeant Rufet«, sagte ich.
    »Hältst du das für eine gute Idee?«, fragte Caleb mich. Der schlaksige Kadett schaute noch ängstlicher aus als gewöhnlich.
    »Das wird doch nur wieder als Petzerei aufgefasst werden«, sagte Oron mit einem unwirschen Gesichtsau s druck. »Und keiner mag einen, der Kameraden verpfeift, Nevare.«
    Ich wusste, dass er in gewisser Hinsicht Recht hatte. Eine tiefsitzende Angst brandete in mir hoch. So reagie r ten sie also, bloß weil wir wussten, was sie getan hatten. So wollten sie uns also einschüchtern und zum Schwe i gen bringen. Wenn sie erfuhren, dass wir mit meinem Onkel gesprochen hatten und dass er mit der Sache zum Kommandanten gegangen war, was würden sie sich dann erst einfallen lassen? Mir wurde jäh bewusst, dass es uns nicht weiterbringen würde, ihre Übergriffe stillschwe i gend hinzunehmen – damit würden wir sie nicht zum Aufhören bringen. Die Beschwerde meines Onkels bei Oberst Stiet würde sie vielleicht zu noch schlimmeren Taten anstacheln, aber unser bisheriges Schweigen hatte schließlich auch nicht dazu geführt, dass sie uns in Ruhe ließen. Wenn ich irgendetwas erreichen wollte, blieb mir gar keine andere Wahl, als den Vorfall zu melden. So schwer es mir fiel, und auch wenn meine Kameraden mich deswegen womöglich als einen Schwächling ans a hen, ich musste und wollte mich an das halten, was mein Onkel gesagt hatte. »Es ist kein Anschwärzen oder ›Ve r pfeifen‹, wenn ein Kadett m eldet, dass unsere Zimmer in unserer Abwesenheit

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