Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
verwüstet wurden«, sagte ich zu Caleb und Oron. Sie starrten mich bloß an, offenbar ke i neswegs überzeugt. Warum war das so schwierig? Mein Onkel hatte gesagt, es sei richtig, so zu handeln. »Ich gehe jetzt runter. Rührt nichts an, bevor Rufet die Schweinerei nicht gesehen hat.«
»Soll ich mitkommen?«, fragte Spink leise.
»Ich denke, einer von uns reicht«, antwortete ich, aber er wusste, dass ich für sein Angebot dankbar war.
Mit jeder Treppenstufe, die mich nach unten führte, wuchsen meine Zweifel. Dass ich den Vorfall meldete, würde auf die anderen mädchenhaft und kriecherisch wirken, sie würden mich als eine Petzliese betrachten, als ein Kameradenschwein womöglich. Waren wir solche Weichlinge, solche Muttersöhnchen, dass wir einen kle i nen Streich nicht aushielten? Aber die Anfangsmonate an der Akademie waren vorbei, und was sie mit unseren Sachen gemacht hatten, ging weit über die üblichen Pi e sackereien hinaus. Das konnte man beim besten Willen nicht mehr als Dummejungenstreich betrachten.
Ich stand vor dem Schreibtisch des Sergeanten und wartete, bis er zu mir aufblickte. In einem so ruhigen Ton, wie es mir in der Situation möglich war, meldete ich sodann den Schaden, der an unserem Zimmer und uns e ren Sachen entstanden war. Während er mir zuhörte, lief sein Gesicht vor Zorn dunkelrot an. Als ich fertig war, stand er auf und stapfte mit mir im Schlepptau die Treppe hinauf, um alles selbst in Augenschein zu nehmen. Er befragte Oron und Caleb, aber sie wussten nichts zu s a gen. Der Übergriff konnte jederzeit erfolgt sein. Als Se r geant Rufet klar wurde, dass es nicht leicht sein würde, die Übeltäter dingfest zu machen, blaffte er knappe B e fehle. »Beseitigt die Schweinerei. Kadett Lading soll mir Bericht erstatten. Ich sehe zu, dass ihr frisches Bettzeug kriegt. Viel mehr kann ich jetzt auch nicht tun.«
Spink und ich machten uns sofort an die Arbeit. Als unsere Zimmergenossen nach und nach eintrafen, brac h ten sie unterschiedliche Grade von Entrüstung oder Bel u stigung über unser Missgeschick zum Ausdruck.
»Es ist ja nicht bloß die Zeit, die wir verloren haben, Zeit, die wir gebraucht hätten, um unsere Hausaufgaben fertigzumachen«, schimpfte Spink, als er das Bettlaken auf seiner Koje strammzog. »Es ist das Gefühl, dass j e mand in unsere Privatsphäre eingedrungen ist, und das Gefühl, Zielscheibe eines üblen Streichs geworden sein, ohne die Chance zu haben zurückzuschlagen.«
Rory war inzwischen hereingekommen. Ohne dass i r gendjemand ihn darum bat, begann er Natreds und Korts Bettzeug vom Boden aufzusammeln und auf ihre Kojen zurückzulegen, während er zu uns sagte: »Ihr könnt noch von Glück reden; bei euch haben sie wenigstens bloß eure Sachen in Unordnung gebracht. Unser Zimmer stinkt wie ein Schweinekoben, und es ist saukalt da drin. Oron sagt, er wäre von dem Gestank fast ohnmächtig geworden, als er hereinkam, also habe er das Fenster g e öffnet. Das hat allerdings nicht viel geholfen. Trist ist sauer auf Gord; er sagt, wenn der nicht bald wiede r kommt und die Schweinerei wegmacht, schmeißt er se i nen ganzen Kram aus dem Fenster. Und ich werde ihm dabei zur Hand gehen!«
»Aber das ist doch nicht Gords Schuld!«, rief ich e m pört. »Genauso wenig wie das hier unsere Schuld ist. Trist sollte lieber sauer sein auf die, die das gemacht h a ben!«
»Also, ich sehe das von beiden Seiten«, erwiderte R o ry stur. »Offenbar haben du und Spink und Gord in jener Nacht jemanden sehr wütend gemacht. Gord hat ja nie erzählt, was eigentlich passiert ist, aber ich glaube nicht, dass er die Treppe hinuntergefallen ist. Und jetzt rächen sie sich an euch, aber Trist und ich sind die, die dafür zahlen müssen.«
»Ihr müsst dafür zahlen?«, fragte Spink erzürnt.
»Ja, unser ganzes Zimmer stinkt! Und Gord ist nicht mal hier, um die Schweinerei wegzumachen, also müssen wir den Gestank aushalten, bis er wieder zurück ist. Ich hab nicht mal Lust, da reinzugehen!«
»Du könntest es ja für ihn wegmachen.«
»Das ist sein Zeug – und seine Schweinerei.«
»Du hast gerade Natreds und Korts Betten gemacht. Wo ist da der Unterschied?«
Rory grinste gutmütig, aber er konnte seine Heuchelei noch immer nicht eingestehen. »Nun ja, ihre Sachen sind ja auch nicht mit Pisse durchtränkt. Außerdem mag ich die beiden.«
»Und Gord magst du nicht?« Ich war überrascht.
Er schaute mich ungläubig an, als zweifle er an me i nem Verstand. »Nicht
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