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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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ging langsam zu den Taldis.
    Er rief mir nach: »Du sagst, du bist ›nicht dumm‹. Ist das ein anderes Wort für ›Feigling‹?«
    Die Worte trafen mich wie ein Messer, das mir in den Rücken gestoßen wurde. Ich versuchte, sie zu übergehen. »Kiekscha. Steh!« Die Stute kam zu mir.
    »Manchmal muss ein Mann kämpfen für das, was er braucht, um zu überleben. Er muss kämpfen, ganz gleich, wie seine Chancen stehen.« Dewara stand auf und zog seinen Schwanenhals aus der Scheide. Die bronzene Klinge schimmerte golden im Licht der aufgehenden Sonne, Sein Gesicht war rot vor Wut. »Geh weg von meinem Tier. Ich verbiete dir, es zu berühren.«
    Ich packte ihre Mähne und hievte mich auf Kiekscha.
    »Dein Vater sagte, du würdest mir gehorchen. Du sa g test, du würdest mir gehorchen. Ich sagte, wenn du mir nicht gehorchtest, würde ich dir eine Kerbe ins Ohr m a chen.«
    »Ich gehe Wasser suchen.« Ich weiß nicht, warum ich das überhaupt sagte.
    »Du bist kein Mann, der sein Wort hält. Und dein V a ter auch nicht. Aber ich halte mein Wort!«, schrie er mir hinterher, als ich davonritt. »Dedem. Steh!« Als ich das hörte, trieb ich Kiekscha zum Galopp an. Der Hunger und der Durst hatten sie ebenso geschwächt wie mich, aber sie schien meine Gedanken zu teilen. Wir flohen. Hinter uns hörte ich Dedems kräftigen Hufschlag. So soll es denn sein, dachte ich. Ich beugte mich tief über Kie k schas Hals und gab mich ihrem Rhythmus hin.
    Der Hengst war größer und robuster als die Stute. Sie machten Boden auf uns gut. Ich hatte zwei Ziele: Dewara zu entkommen und Wasser zu finden, bevor der Stute die Kraft ausging. Ich wusste, dass ich sie brauchen würde, um nach Hause zu gelangen. Ich beugte mich noch tiefer über sie und trieb sie an, in die Richtung, aus der wir g e kommen waren. Meine recht vage Einschätzung unserer Lage war die, dass wir, indem wir auf dem Weg zurüc k ritten, den wir gekommen waren, nach nur zwei Tagen auf Wasser stoßen würden. Ein Mensch kann vier Tage ohne Nahrung oder Wasser überstehen. Das hatte mir Sergeant Duril gesagt. Aber er hatte auch hinzugefügt, dass extreme körperliche Anstrengung und Entkräftung ein solches Überleben unwahrscheinlicher machten und dass ein Mann, der seinem Verstand auch nach zwei T a gen ohne Nahrung und Wasser noch traute, größere Chancen hatte, an Dummheit zu sterben als an Entkrä f tung. Mir war klar, dass das Pferd keine zwei Tage an einem Stück würde laufen können und dass auch ich nicht so lange würde reiten können. Aber mein Den k vermögen war stark beeinträchtigt von der Tatsache, dass ich um mein Leben ritt – eine ganz neue Erfahrung für mich – und dass ich damit gleichzeitig auch noch dem Willen meines Vaters zuwiderhandelte. Das eine schien ebenso beängstigend wie das andere.
    Ich kam nicht weit. Ich hatte nur einen knappen Vo r sprung vor dem Kidona. So sehr ich die Stute auch a n trieb, Dewara holte immer mehr auf, und schließlich ritt er auf gleicher Höhe mit uns. Ich klammerte mich gri m mig an Kiekschas Rücken und Mähne fest, denn das war das Einzige, was ich tun konnte. Ich sah, wie er seinen Schwanenhals zückte, u nd schlug wie wild auf die Stute ein, aber sie konnte nicht schneller. Als die tödliche Klinge über meinem Kopf kreiste, konnte ich das leise Sirren hören Ich trat nach ihm, mehr in der Hoffnung, ihn abzulenken, als in der ihn vom Rücken seines Reittieres zu stoßen. Um ein Haar wäre ich dabei selbst von meiner Stute gefallen, und ich fühlte, wie sie für einen Moment aus dem Tritt kam. Das blitzende Metall sauste wieder über mir herab, und ich spürte den scharfen Biss der Klinge, als sie durch mein Ohr fuhr und eine Kerbe hi n einschnitt, genau wie Dewara es mir angedroht hatte. Dabei ritzte sie mir gleichzeitig die Kopfhaut auf, und ich spürte, wie mir das Blut heiß am Hals herunterlief. Ich kreischte auf, als mir die Klinge ins Fleisch schnitt, gle i chermaßen vor Schmerz wie vor Angst um mein Leben. Die peinliche Erinnerung an jenen mädchenhaften Au f schrei hat mich bis heute nicht verlassen. Der Schmerz und das Gefühl des warmen Blutes an meinem Hals ve r schmolzen zu einer einzigen Wahrnehmung, die es mir unmöglich machte, die Schwere meiner Verletzung ei n zuschätzen. Ich konnte mich nur noch fester in Kiekschas Mähne krallen und um mein Leben reiten. Ich wusste, ich hatte keine Überlebenschance. Der nächste Hieb von Dewaras Schwanenhals würde mir den Garaus machen.
    Zu meiner

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