Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
war unser Abendgespräch. Er saß schweigend da, den Rücken gegen den Fels gelehnt, während die Scha t ten länger wurden und die Nacht sich langsam über das Land senkte. In jener Nacht schien kein Mond, und die fernen Sterne funkelten vergeblich gegen die Schwärze des Himmels an. Als offenbar wurde, dass Dewara sich nicht von der Stelle rühren würde, suchte ich mir einen Platz zum Schlafen und fand ihn dort, wo ein Felsensims aus dem Sand ragte. Direkt daneben kratzte ich eine Mulde in den Sand, groß genug, dass ich mich in sie hi n einlegen konnte, mit dem Rücken gegen den Felsen, hauptsächlich wegen der Wärme, die er tagsüber gespe i chert hatte und noch bis lange nach Sonnenuntergang abgeben würde. Ich legte mich hin, schob mir meinen Hut anstelle eines Kissens unter den Kopf, und ve r schränkte die Arme auf meiner Brust. Eine Weile lausc h te ich dem Wind, den Pferden und den Insekten.
    In jener Nacht wachte ich zweimal auf. Beim ersten Mal hatte ich so lebhaft von geräuchertem Fleisch g e träumt, dass ich es förmlich riechen konnte. Das zweite Mal wachte ich auf, weil ich vor Kälte zitterte. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich noch tiefer in meine Mulde zu schmiegen. Ich fragte mich, was genau ich wohl da r aus lernen sollte, und schlief wieder ein.
    Vor dem Morgengrauen verließ mich der Schlaf, und ich schlug die Augen auf. Ich war sofort hellwach. Ich fror, hatte Hunger und Durst, aber das war es nicht, was mich geweckt hatte. Ohne den Kopf zu bewegen, wandte ich den Blick. Dewara war wach und stand in der Nähe seines Felsens, ein schwarzer Schatten vor dem stah l grauen Himmel. Während ich ihn beobachtete, machte er einen weiteren lautlosen Schritt auf mich zu. Ich senkte die Lider, so dass meine Augen nur einen Schlitz weit geöffnet waren, und fragte mich, ob sein Blick scharf genug war, um sehen zu können, dass ich wach war. Er tat einen weiteren Schritt auf mich zu. Der Kidona kon n te schleichen wie eine Schlange auf einer Düne.
    Ich wog meine Möglichkeiten ab. Wenn ich still liegen blieb und so tat als schliefe ich, würde ich das Überr a schungsmoment auf meiner Seite haben. Dann würde ich ihm aber auch die Möglichkeit einräumen, in wenigen Augenblicken mit dem Schwanenhals in der Hand über mir zu stehen. Im Geiste ging ich alle meine Muskeln durch und sprang auf. Dewara blieb stehen, wo er war. Sein Gesichtsausdruck war ohne Falsch. Ich neigte den Kopf zur linken Schulter und begrüßte ihn mit: »Es ist fast Morgen.«
    Meine Stimme krächzte. Ich räusperte mich und fra g te: »Werden wir heute Wasser finden?«
    Er wedelte mit den Händen, eine Geste, die bei den Flachländern das Gleiche bedeutete wie bei uns ein Ac h selzucken. »Wer kann das schon sagen? Das liegt bei den Geistern.«
    Es wäre eine stumme Gotteslästerung und überdies feige gewesen, seine Worte unkommentiert so stehen zu lassen. »Vielleicht hat der gütige Gott Mitleid mit uns«, erwiderte ich.
    »Euer gütiger Gott lebt oben hinter den Sternen«, gab er verächtlich zurück. »Meine Geister sind hier, im Land.«
    »Mein gütiger Gott wacht über mich und beschützt mich vor dem Bösen«, entgegnete ich.
    Er sah mich mit einem vernichtenden Blick an. »Dein gütiger Gott muss sich sehr langweilen, Soldatenjunge.«
    Ich holte Luft – ich hatte keine Lust, mit einem Wi l den über theologische Streitfragen zu diskutieren. Ich entschied, dass die Beleidigung mir galt, weil ich ein langweiliges Leben führte, und nicht dem gütigen Gott. Also konnte ich sie durchgehen lassen, wenn ich es wol l te. Ich sagte nichts, und nach langem Schweigen räuspe r te sich Dewara. »Es gibt keinen Grund hierzubleiben«, sagte er. »Es ist hell genug zum Reiten.«
    Ich hatte keinen Grund gesehen, dort überhaupt erst anzuhalten, aber ich verkniff es mir abermals, meine Meinung zu äußern. Seit meiner frühesten Kindheit war ich ans Reiten gewöhnt, aber wegen des sonderbaren Körperbaus der Tiere taten mir an den unmöglichsten Stellen die Muskeln weh. Trotzdem saß ich pflichtschu l dig auf und folge ihm, immer noch mit der Frage b e schäftigt, was dieser Mann mich eigentlich lehren sollte. Ich fürchtete, dass mein Vater einen äußerst geringen Gegenwert für seine Tauschwaren bekommen würde.
    Dewara bestimmte die Richtung, und ich ritt neben ihm. Am Mittag h atte mein Bedürfnis nach Wasser eine solche Intensität erreicht, dass es mit dem Begriff Durst nur noch sehr unzureichend beschrieben gewesen wäre.

Weitere Kostenlose Bücher