Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
wie unsere Väter und Großväter es schon vor uns getan hatten. Wir stritten uns mit den Getüpfe l ten. Und als das nichts fruchtete, kämpften wir mit ihnen.
»Die Getüpfelten sind ein verabscheuenswürdiges Volk, verschlagen und wendig wie der gelbe und schwarze Salamander unter einem verfaulten Bau m stumpf. Wir haben keinen Hader mit ihnen gesucht. Wir wollten Waren mit ihnen tauschen, aber als wir mit ihnen Handel trieben, betrogen sie uns. Ihre Weiber sind l ü stern, aber sie bleiben nicht im Bett eines Mannes, noch erwerben sie Vieh und verwalten Reichtum, wie e s sich für ein Weib geziemt. Sie ruinierten unsere jungen Kri e ger mit wahllosem Beiliegen und mit Kindern, von denen sie nicht wissen konnten, ob sie wirklich von ihnen w a ren. Sie brachten unsere Krieger dazu, dass sie sich u n tereinander bekämpften. Die getüpfelten Männer sind noch schlimmer als ihre Weiber. Sie wollten nicht Mann gegen Mann kämpfen, mit Schwanenhals und Speer, sondern griffen uns aus sicherer Entfernung an, mit Pfeil und Schleuder, damit die Seelen der Krieger, die sie töt e ten, nicht das Territorium der Götter erreichten, sondern blind und unversehens fielen, in Schande, als bloße erle g te Beute, wie Kaninchen und Waldhühner, nicht mehr als ein Stück Fleisch. Wir suchten keinen Hader mit den G e tüpfelten, aber als sie ihn uns aufzwangen, wichen wir nicht davor zurück. Als wir durch ihre Dörfer ritten und all diejenigen töteten, die nicht flüchteten, schworen sie uns Rache. Die Winde des Todes sandten sie uns, sodass Männer hustend starben, in ihrem eigenen Dreck ka u ernd. Sie machten unsere Kinder zu Waisen und ließen sie sterben, statt sie bei sich aufzunehmen. Sie steckten uns mit Krankheiten an wie Hunde verwundete Hirsche. Ein so erlittener Tod bringt einem Mann das vollkomm e ne Ende; es gibt kein Leben nach dem Sterben für einen Mann, der von seinem eigenen Körper verraten wurde.«
Dewara verstummte, aber seine gefiederte Brust bebte vor Erregung. Es war das brütende, brodelnde Schweigen eines Mannes, der in einem fort hasst, ohne die Hoffnung zu haben, dass sein Hass je befriedigt wird. Nach einer Weile sagte er leise: »Die Krieger deines Volkes sind bis zu den Rändern der Bergwälder vorgedrungen, die von den Getüpfelten als ihr Eigentum beansprucht werden. Eure Krieger sind stark. Sie haben die Kidona besiegt, als keine anderen Flachländer gegen uns bestehen konnten. Ich habe dir von der Niederlage erzählt, die uns die G e tüftelten vor Urzeiten beigebracht haben. Ich habe dir diese Schmach meines Volkes gestanden, damit du b e greifst, dass die Getüpfelten keine Gnade von eurem g ü tigen Gott verdienen. Ihr sollt ihnen die gleiche Schwer t klinge zeigen, die ihr uns gezeigt habt. Benutzt eure E i senwaffen, um sie aus der sicheren Ferne zu töten, und kommt niemals in ihre Nähe oder in die Nähe ihrer Hä u ser, sonst entfesseln sie ihre Hexenkunst gegen euch. Ihr sollt sie unter euren Füßen zertreten wie Maden und Würmer. Keine noch so tiefe Erniedrigung der Getüpfe l ten durch euch wäre unverdient, keine Grausamkeit zu schrecklich, als dass ihr sie ihnen nicht zufügen s olltet. Bereue niemals irgendetwas, das dein Volk ihnen antut; denke an die Gräuel, die sie meinem Volk angetan haben. Sie haben unsere Brücke zur Traumwelt zerstört.« Seine Hände fielen kraftlos herunter. »Wenn ich sterbe, wird mein Sein enden. Es gibt keine Brücke für mich in das Geburtsland der Geister meines Volkes.
Als ich ein junger Mann war, vor unserem Krieg g e gen dein Volk, schwor ich, dass ich diesen Übergang wieder öffnen würde. Ich tat diesen Schwur vor meinem Volk und meinen Göttern. Ich fing einen Falken und ve r goss sein Blut, um mich an meinen Schwur zu binden. Und so bin ich nun gebunden.« Er zeigte auf seine V o gelgestalt. »Zweimal habe ich versucht, den Übergang zu erzwingen. Ich überquerte die Brücke und focht gegen den furchtbaren Wächter, den sie uns in den Weg gestellt haben. Zweimal wurde ich besiegt. Aber ergeben habe ich mich nicht, noch habe ich von meinem Vorhaben a b gelassen. Erst als dein Vater mit seinem Eisen auf mich schoss, erst als er die Magie deines Volkes tief in meine Brust senkte und meine Kidona-Magie verkrüppelte, wusste ich, dass ich es nicht mehr alleine schaffen kon n te. Ich wusste, dass ich gescheitert war.«
Er hielt in seinem Redefluss inne und schüttelte den schnabelbewehrten Kopf. »Ich hatte keine Hoffnung mehr. Ich wusste, ich
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