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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Kidona-Stammes überqueren. Alles, was es einst ausmachte, ein Kidona zu sein, lebte in jenen Brücken. Sie wurden aus dem Stoff unserer Seelen errichtet. Sie zu überqueren hieß, unseren Göttern zu versichern, dass wir Kidona waren.
    Es war nie eine leichte Aufgabe; sie erforderte immer Mut, aber wir waren ein mutiges Volk. Und wir wussten, dass jenseits der Schamanenbrücke unser Heimatland lag, die Geburtsstätte unserer Seelen, unser Ort des Träumens, der Ort, zu dem unser Geist am Ende zurüc k kehrt. Aber nun sind schon Generationen vergangen, seit der letzte Kidona die Reise vollenden konnte. Die Brücke wurde uns gestohlen. Die Getüpfelten raubten sie uns und eigneten sie sich selbst an. Sie lassen keinen von uns hinüber.
    Einst war es bei uns Brauch, dass jeder junge Krieger und jedes Mädchen diese Reise unternahm. Von dieser Stelle aus trat ein jeder die Reise zu der Traumstätte an und verweilte dort, bis ein Tier jener Welt ihn auserkoren hatte. Fortan war jenes Tier der Hüter seines Geistes, der ihm Rat und Weisheit bot. Unsere Krieger waren mächtig und unsere Felder fruchtbar. Zu jener Zeit gehörten die sanften Hügel uns, und wir lebten gut. Unser Vieh ve r mehrte sich prächtig Jahr um Jahr, bis unsere Herden die Hügel bedeckten wie Steine den Lauf eines Flusses. Wir unternahmen weite Raubzüge, aber der Ehre wegen und um Reichtum zu erlangen, nicht um der Nahrung willen, denn wir hatten eine Heimat, die uns alles gab, was wir zum Leben brauchten. Die Kidona waren ein mächtiges Volk. Wir waren zufrieden mit dem, was unsere Heimat uns bescherte, und unseren Göttern eine Zierde. All das wurde uns von den Getüpfelten genommen, und wir wurden dazu verdammt, fortan unser Dasein als Nom a den zu fristen, als Hirten der Staubstürme, die nur Le i chen säen und Tod ernten.«
    Er ließ die Hand sinken und neigte den Vogelkopf, wortlos seinem Kummer Ausdruck gebend, und starrte sehnsuchtsvoll über die Kluft.
    »Was ist deinem Volk widerfahren?«, fragte ich nach geraumer Zeit, als klar war, dass er nicht vorhatte, noch mehr zu sagen.
    Ein tiefer Seufzer entrang sich seiner Brust. »Zu jener Zeit lebten wir tief im Westen, in den Ausläufern jener Bergkette, die die Gernier Barrierengebirge nennen. Ein törichter Name. Es ist keine Barriere, sondern eine Brü c ke. Das Gebirge ist voller Wild und reich an Bäumen, die Blumen und Früchte tragen und voll mit süßem Saft sind. Seine dichten Wälder sind kühl und spenden Schatten in der Hitze des Sommers.
    Wenn die Stürme des Winters toben, bieten die Bau m dächer Schutz vor dem hohen Schnee und dem schne i denden Wind. Die Wälder gaben uns alles, was wir brauchten. Die Bäche, die von den schneebedeckten Gi p feln herabstürzen, sind voller Fische, Frösche und Schildkröten. Einst waren sie unser, unser Land, in dem wir nach Herzenslust jagen konnten, und wir waren ein reiches Volk. In den Wäldern jagten und ernteten wir auf demselben Land wie die Getüpfelten. Aber wir wagten uns auch hinaus in die flachen Lande, setzten uns der prallen Sonne aus, was sie sich nicht trauten, da ihre A u gen und ihre Haut das helle Licht des Tages nicht ertr a gen können. Sie sind Geschöpfe der Schatten und des Zwielichts. In den Ebenen am Fuße der Berge ließen wir Kidona im Sommer unsere Herden weiden. Dort bauten wir unsere Städte, unsere Monumente und Straßen. Im Winter trieben unsere Hirten unsere Tiere hinauf in den Schutz des Waldes. Wir waren ein glückliches Volk. U n sere Herden wuchsen. Unsere Frauen erblühten zu voller Weibespracht, unsere Männer waren voller Saft und Kraft, und uns wurden so viele Kinder geboren, dass wir Jahr für Jahr neue Aufzuchttempel errichten mussten, um sie beherbergen zu können.
    Alles wäre gut gewesen, wären da nicht die Getüpfe l ten gewesen, die sich in den Bergwäldern über uns fes t gesetzt hatten. Sie nahmen uns übel, dass unsere Herden größer wurden, und suchten zu verhindern, dass wir u n sere Weidegründe ausdehnten und Holz für den Bau u n serer Städte schlugen. Sie sagten, unsere Schafe und u n sere Kühe fräßen zu viel, und unsere Taldis trampelten die schmalen Waldwege zu Straßen breit. Sie klagten um das Land, das wir urbar machten, und betrauerten jeden Baum, der unter unseren Äxten fiel. Sie beanspruchten die Wälder als ihr Eigentum und wollten, dass sie so blieben, als hätte nie ein Mensch seinen Fuß in sie g e setzt. Wir wollten nur unsere Kinder bekommen und j a gen und ernten,

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