Never forget - das Mädchen, das sich nicht erinnern durfte
seufzt. »Alle. Es ist der tödlichste Erregerstamm des Hantavirus, der je entdeckt wurde. Er ist nicht für seine Wirte – die Feldmäuse – tödlich, sondern für den Menschen.« Sie wendet sich mir zu. »Deine Eltern fanden das heraus. Mal ist jemand in dem einen Land gestorben, mal jemand im nächsten – immer wurde es fälschlicherweise als Lungenentzündung oder Grippe diagnostiziert. Aber deine Eltern ahnten etwas und fingen damit an, Nagetiere im Osten Oregons zu untersuchen – Wühlmäuse, Erdhörnchen, Feldmäuse. Dabei fanden sie heraus, dass es sich um einen neuen Hantavirenstamm handelt.«
»Und?« Ty beugt sich nach vorne. »Was hat eine Krankheit, die durch Feldmäuse übertragen wird, mit den Männern zu tun, die Cady umbringen wollen?«
»Ihre Eltern haben noch mehr herausgefunden.« Liz legt die Hände aneinander, faltet sie und sieht mich über ihre ineinandergeschlungenen Finger hinweg an. »Das ganze letzte Jahr über haben deine Eltern an einem Impfstoff gegen den neuen Virenstamm gearbeitet.«
»Aber ein Impfstoff ist doch etwas Gutes, oder?«, frage ich. Warum fühle ich mich dann so elend?
»Manche Impfstoffe verhindern nicht nur, dass man sich die Krankheit einfängt. Manche halten das Virus auch auf, wenn ein Mensch bereits infiziert, die Krankheit aber noch nicht ausgebrochen ist.«
»So funktioniert das auch bei Tollwut«, sagt Ty. »Und Wundstarrkrampf. Wenn man den Leuten, nachdem sie von einem tollwütigen Tier gebissen wurden oder in einen rostigen Nagel getreten sind, früh genug die Spritze verabreicht, werden sie nicht krank.«
»Richtig«, sagt Liz, wobei sie den Blick aus ihren blauen Augen keine Sekunde lang von mir abwendet. »Letztes Jahr wurde Z-Biotech verkauft. Die neuen Besitzer waren keine Wissenschaftler, doch Janie hat erzählt, sie seien von dem Gedanken fasziniert gewesen, dass der Impfstoff auch nach einer Infektion wirkt. Sie gaben deinen Eltern die Anweisung, ihre Ergebnisse für sich zu behalten, obwohl sich der Impfstoff an Tieren absolut bewährt hatte. Sie sagten, sie wollten ihren Marktvorteil nicht verlieren.« Um ihren Mund zuckt es. »Janie und Patrick sind klug, aber sie leben in ihrer eigenen kleinen Welt. Was ihnen nicht von Anfang an klar war: Wenn man beides hat – eine verheerende Krankheit und das Gegenmittel dazu –, bedeutet das auch, dass man daraus eine Waffe herstellen kann.«
»Eine Waffe?« Die Dinge nahmen gerade eine Wendung, mit der ich niemals gerechnet hätte. Als Liz nickt, frage ich: »Aber ist diese Art von Waffen nicht illegal?« Ihre Worte haben ein Echo heraufbeschworen. Irgendetwas an dieser Unterhaltung fühlt sich vertraut an.
»Biologische Waffen werden seit vierzig Jahren geächtet«, sagt sie. »Völlig legal sind jedoch Forschungen, wie man sich dagegen verteidigt.«
Ty richtet sich auf. »Sind das nicht zwei Seiten von ein und derselben Medaille? Wenn man erforscht, wie man sich dagegen verteidigen kann, können dann nicht genau diese Forschungen auch dazu benutzt werden herauszufinden, wie man jemanden angreifen kann?«
»Genau. Und manchmal ist die Grenze, die zwischen diesen beiden Dingen verläuft, ziemlich schmal.« Liz strahlt ihn an und wendet sich dann wieder mir zu. »Dein Bürschchen hier ist ziemlich schlau.«
Wir werden beide aus verschiedenen Gründen rot. Erstens ist er kein »Bürschchen« und zweitens nicht »meins«.
»Aber was ist mit der Regierung?«, frage ich. »Wissen die nicht, was da vor sich geht?«
Liz schüttelt den Kopf. »Niemand in der Regierung behält den Überblick darüber, wie viele Labore es in den USA gibt, ganz zu schweigen davon, was jedes einzelne davon erforscht. Sie kontrollieren einige Labore, die mit Erregern wie zum Beispiel Anthrax arbeiten. Aber das Hantavirus gehört nicht dazu.«
Ich denke an die Büchse der Pandora. »Aber wie könnte das Hantavirus überhaupt als Waffe eingesetzt werden? Würde es nicht einfach alle umbringen, wenn man es verbreitet?«
»Aber es wird nicht von Mensch zu Mensch übertragen«, erklärt Liz. »Und durch den Impfstoff kann man entscheiden, wer nicht krank wird, wenn er das Virus einatmet.«
Ich nicke, aber ich kann ihr nicht ganz folgen.
Liz beugt sich zu mir. »Okay, stell dir eine Bombe vor, die mit dem getrockneten, pulverisierten Kot der infizierten Feldmäuse gefüllt ist. Das heißt, eine Waffe, die aus Millionen und Abermillionen infizierter Partikel besteht. Sagen wir mal, die Waffe ist auf die Hauptstadt von Land
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