Never forget - das Mädchen, das sich nicht erinnern durfte
A gerichtet. Innerhalb von ungefähr vier Tagen wird jeder, der diese Teilchen eingeatmet hat, krank – das Staatsoberhaupt, die Richter, die Politiker und natürlich die Bürger. Muskelschmerzen, Fieber, Kraftlosigkeit. Zuerst halten es alle für die Grippe. Nur dass fünfundneunzig Prozent dieser Menschen innerhalb weniger Tage, nachdem die Symptome auftreten, sterben.« Sie wartet einen Augenblick, um die Bedeutung ihrer Worte sacken zu lassen.
»In einem Krieg«, sage ich, »könnte ein Land also diese Bombe abwerfen, alle töten und dann geimpfte Soldaten schicken, um aufzuräumen.«
Sie nickt. »Es gibt noch eine andere Möglichkeit, die weniger drastisch ist. Was ist, wenn sie die Bombe abwerfen und den Leuten dann in den ersten drei Tagen, bevor sich die Symptome zeigen, den Impfstoff anbieten? Auf diese Weise würde niemand krank, oder wenn, dann nur leicht.«
»Aber was würde das bringen?«, fragt Ty.
»Bevor sie den Impfstoff bekommen, müsste die Regierung von Land A bestimmte Forderungen erfüllen. Vielleicht müsste die Regierung zurücktreten. Oder es müsste seine Atomwaffen ausliefern.«
»Das heißt, unsere Regierung will dieses Hantavirus und den Impfstoff haben?«, fragt Ty.
»Eine ganze Menge Leute wollen das vielleicht haben«, sagt sie. »Das Virus könnte auch in einem kleineren Rahmen eingesetzt werden, man könnte es zum Beispiel in den Belüftungskanälen eines Einkaufszentrums, eines Casinos oder einer Schule freisetzen. Oder Briefe mit pulverisierten Viren vergiften und sie an die Presse, an Politiker oder Firmenchefs schicken. Oder ein Sprühflugzeug mieten und das Virus über einem Fußballstadion oder einer Paradestrecke versprühen. Und wenn die Menschen, die das Virus einatmen, am Leben bleiben wollen, müssen sie bezahlen.«
Ty stellt eine Frage, die auch mir auf den Nägeln gebrannt hat. »Aber wenn ich mich nicht krank fühle und man mir sagt, dass ich in vier Tagen an einer Krankheit sterben werde, von der ich nie gehört habe, warum sollte ich das glauben und zahlen?«
»Auch eine gute Frage«, sagt Liz. »Damit es funktioniert, müsste vielleicht vorher eine kleine Anzahl von Menschen infiziert werden. Als Beispiel dafür, was passieren kann.«
»Als Beispiel?«, wiederhole ich. »Aber sie würden sterben! Wer würde etwas so Schreckliches tun? Terroristen? Fanatiker?« Ich stelle mir Leute vor, die nach Gott rufen, bevor sie auf einen Knopf drücken.
»Oder einfach Leute, die eine Menge Geld verdienen wollen.« Liz blickt von Ty zu mir. »Wie viel würdet ihr für ein Heilmittel zahlen, wenn ihr wüsstet, dass ihr ohne es sterben müsst?«
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TAG 2, 17:52 UHR
T y und ich sagen nichts. Wir schauen uns nur gegenseitig an. Die Antwort ist klar. Wenn man weiß, dass man sterben muss, wird man alles bezahlen, alles tun.
Mir ist schwindlig. Ich weiß nicht, ob es an den Geschehnissen der letzten beiden Tage liegt, an den Kopfschmerzen oder an dem, was uns Liz da gerade erzählt hat. Wahrscheinlich an allem.
»Hat Z-Biotech schon irgendetwas damit gemacht?«, fragt Ty.
»Das meiste der ersten Ladung Impfstoff wurde an Tieren getestet. Als das funktionierte, versuchte man es an ein paar freiwilligen Testpersonen im Labor. Gerade wird neuer Impfstoff hergestellt, aber es dauert Wochen, bis der fertig ist. Zuerst muss man lebende Viren in befruchtete Eier spritzen und diese bebrüten, damit sich das Virus fortpflanzt. Um den Impfstoff herzustellen, wird nach ein paar Tagen die Flüssigkeit in den Eiern mit Formaldehyd behandelt.«
»Dadurch werden die Viren abgetötet«, sagt Ty. »Ich habe über Impfstoffe aus abgetöteten Viren gelesen. Tote Viren können keine Infektion mehr verursachen, aber sie bringen das Immunsystem auf Trab, wenn jemand damit geimpft wird.«
Liz nickt. »Genau. Janie war so aufgeregt, als abzusehen war, dass der Impfstoff wirkt. Dann ahnten sie allmählich, was Z-Biotech damit vorhatte. Aber sie brauchten Beweise. Wenn sie Anschuldigungen hervorgebracht hätten, die sich als falsch herausstellten, wären die Karrieren der beiden zu Ende gewesen. Oder Z-Biotech hätte das Beweismaterial einfach vernichten können. Deshalb fingen sie an, heimlich Fotos zu machen und Akten zu durchforsten.« Die Stimme meiner Tante wird schärfer. »Ich habe zu Janie gesagt, dass das gefährlich ist. Aber du kennst ja deine Mutter – sie ist stur. Sie sagte, sie würden ihre Spuren verwischen. Aber irgendjemand bei Z-Biotech muss herausgefunden haben, was sie da
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